PR TB 154 Der Zukunftsseher
Sie waren das erste Zeichen von Leben, das er in der
Stadt sah, seitdem er sie an diesem Tage aufgesucht hatte. Er blickte
den Fischen nach und vergaß für Sekunden, wo er war. Ein
dumpfer Knall schreckte ihn auf. Er drehte sich um.
Eine Tür hatte sich geöffnet, und ein Tempteter war auf
den Platz hinausgetreten. Eine zweite Tür ging auf. Ein weiterer
Mann trat heraus, und auch diese Tür fiel mit einem eigenartig
dumpfen Geräusch zu. Kurz darauf folgten in Abständen von
wenigen Sekunden noch sieben weitere Tempteter. Sie standen still vor
den Häusern und richteten die Blicke nach oben, doch kein
einziger Vogel war zu sehen.
Als etwa zwei Minuten verstrichen waren, glitten die seltsam
leblos wirkenden Gestalten auf ihren zahllosen Beinen auf die Mitte
des Platzes zu. Sie näherten sich einander, bis sie einen Kreis
von etwa zwanzig Metern Durchmesser bildeten.
Frank schaltete sein Funkgerät ein. Julian Tifflor meldete
sich fast augenblicklich.
„Hier tut sich etwas", sagte der Maruner und schilderte
die Szene.
„Ich weiß aber noch nicht, was das zu bedeuten hat."
„Bleiben Sie am Mann, Frank", bat Tifflor.
„Jetzt erscheinen ein paar große Vögel",
sagte der HS. „Es sind die größten, die ich bisher
hier gesehen habe. Sie haben eine Spannweite von fast drei Metern und
haben eine gewisse Ähnlichkeit mit terranischen Adlern, so wie
man sie mir beschrieben hat."
„Passen Sie auf sich auf, Frank."
„Selbstverständlich. Ich gehe jedoch ein bißchen
näher heran."
Frank blickte sich um und überzeugte sich davon, daß
sich niemand hinter ihm befand. Dann schritt er langsam auf den Kreis
der Tempteter zu. Die Vögel schwebten mit ausgebreiteten Flügeln
nahezu auf der Stelle fünfzig Meter über dem Platz. Frank
zählte achtzehn Tiere. Er wußte nicht, was er von dem
Geschehen halten sollte.
Etwa zehn Meter von dem ersten Tempteter entfernt blieb er zögernd
stehen und überlegte, ob er es wagen konnte, einen der Männer
anzusprechen. Er war sich darüber klar, daß er
Zeuge einer rituellen Handlung wurde. Daher waren die Reaktionen
der Tempteter auch kaum absehbar.
Plötzlich stieß einer der Raubvögel mit einem
schrillen Schrei auf einen der Stadtbewohner herab. Er legte die
Flügel eng an den Körper und streckte Schnabel und Krallen
nach vorn.
Unwillkürlich schreckte Pamo zurück. Er hielt den Atem
an. Der Tempteter schien zunächst nichts zu bemerken. Erst im
letzten Moment, als sich ihm der Schnabel schon in den Schädel
zu bohren schien, warf er die Arme hoch und wehrte den Vogel
geschickt ab. Dennoch fuhren ihm die Krallen tief in die Muskeln
seiner Arme, und eine gelbliche Flüssigkeit sickerte heraus.
Die anderen Vögel schienen nur auf dieses Signal gewartet zu
haben. Auch sie stürzten sich in die Tiefe und griffen die
Tempteter an, wobei sich jeweils zwei Tiere auf einen Gegner
konzentrierten. Kaum hatte ein Tempteter einen Angreifer
zurückgeschlagen, als sich auch schon der zweite auf ihn
stürzte.
Während die Vögel laut kreischten, blieben die
Stadtbewohner stumm. Sie schlugen mit ihren Fäusten um sich und
gaben auch dann keinen Laut von sich, wenn sie verwundet wurden.
Frank Pamo umkreiste die Gruppe erstaunt und verwirrt. Er wußte
sich keinen Reim aus dem Geschehen zu machen.
In einem der Kämpfer erkannte er Awyhat wieder, und kurz
darauf sah er auch Okotra, der Awyhat bei seinem ersten Besuch bei
der Korvette begleitet hatte.
„Hört auf", sagte er keuchend. „Das ist doch
Wahnsinn."
Die Tempteter reagierten nicht. Keiner von ihnen schien die Worte
des Maruners vernommen zu haben.
Da krallte sich ein Vogel in den Kopf Awyhats, beugte sich
blitzschnell zu seinem Nacken hinunter und hieb ihm mit unglaublicher
Kraft den Schnabel gegen die Wirbelsäule. Der Tempteter brach
schlagartig zusammen. Er war tot.
Mit einem triumphierenden Schrei erhob sich der Raubvogel und
stieg bis in eine Höhe von etwa hundert Metern auf. Sein
Mitkämpfer begleitete ihn.
Sekunden darauf brach ein zweiter Tempteter tot zusammen, und
wieder flatterten zwei Tiere in die Höhe.
Frank Pamo war wie gelähmt. Er wollte den Kampf unterbrechen,
aber er wußte nicht, wie er es anstellen sollte. Er war
hilflos. Er sah das Blut, das vergossen wurde, und die Kehle schnürte
sich ihm zu. Er beobachtete, daß Leben vernichtet wurde, und
fand kein Mittel, es zu retten.
Einer der Tempteter tötete einen der Vögel, aber er
überlebte diesen Sieg nur ein paar Sekunden. Dann durchbohrte
der
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