PR TB 199 Die Parasiten
verband
zusammen mit der Sklavin den Rücken der jungen Frau. Dann sahen
wir gebannt zu, wie sich der Symbiont einen neuen Platz suchte und
genau auf der Wirbelsäule, dicht unter der Linie der
Knabenschultern, zur Ruhe kam.
Ich hob die Hand und sagte:
“Das war's, Pharao. Deine Freundin behält ihre Klugheit
und ist geheilt. Und dein Sohn wird von Tag zu Tag klüger
werden. Sollte eines Tages sich die dünne Hautschicht verändern,
bin ich da und vernichte den Parasiten."
Der Pharao war sichtlich bewegt.
“Mein Sohn wird den Kampf gegen die Heka Khasut, den ich
anfange, beenden."
“Vielleicht", wandte ich ein, “wird es erst sein
Sohn sein, der sie vom Nil vertreibt."
“Auch das ist möglich. Die Geschichte dieses Landes
rechnet nicht in Jahren, sondern in Generationen."
“Ich weiß", sagte ich. “Und Narmer-Menes
machte den Anfang. Nun, Sekenenre, besitzt dein Sohn dieses Stück
neue Haut. Vielleicht gehen deine Träume in Erfüllung. Aber
er ist deswegen weder unsterblich noch zu einem Halbgott geworden."
Die Szene hatte, wie viele andere in dieser Zeit, ebenfalls etwas
Unwirkliches. Die hohen, lichterfüllten Räume, die wenigen
Personen, die sich im Zentrum dieses schweigenden Palastteiles
drängten, die zwei halbentblößten und regungslosen
Körper und der Parasit, der nunmehr zur Ruhe gekommen war - es
mußte ein Bild sein, das ES in seinem makabren Humor sehr
zusagte. Ich fing an, meine Instrumente und die Salben und Binden
zusammenzupacken. Irgendwann sagte der Pharao:
“Welchen Lohn verlangst du, Atlan-Aakener?"
“Kein Gold. Ich möchte nur, daß ich in dem von
dir kontrollierten Teil des Reiches in Ruhe meinen Geschäften
nachgehen darf. Bei meinen Freunden werde ich mich wohl fühlen,
und ich möchte wie sie nicht in deinen Kampf gegen die Heka
Khasut verwickelt werden. Das ist der beste Lohn, den ich mir
wünschen kann."
“Ich werde dir trotzdem einige Schats Goldes reichen lassen.
Mit Gold bekommt man viel, wenn nicht alles, entlang des Nils."
“Ich danke dir!" schloß ich.
Diener brachten den Pharaonensohn, der inzwischen aus seiner
Betäubung in einen tiefen Schlaf gefallen war, aus dem Raum und
in seine Zimmer. Der Pharao legte die Hand auf die kühle,
reglose Schulter seiner Freundin und blickte lange und schweigend auf
die junge Frau hinunter. Der Schreiber sagte kein Wort. Er war damit
beschäftigt, auszurechnen oder zu überlegen, welchen
Vorteil die Umpflanzung des Parasiten auf den Sohn des Pharaos
erbringen würde. Ich glaubte ihm auch seine Überzeugung,
daß nur reine Ägypter über dieses Land herrschen
sollten. Vielleicht gab ihm die Zukunft recht.
Zuletzt waren der Schreiber und ich allein.
“Ich sehe", meinte der Mann und lächelte plötzlich
in aller Offenheit, “daß du wirklich derjenige bist, wie
ihn das Volk schildert. Mein Mißtrauen ist dahingeschmolzen wie
Bienenwachs am Mittag. Gibt es etwas, das ich für dich tun
kann?"
Ich klopfte ihm auf die Schulter und antwortete:
“Du kannst mich morgen ein Stück Weges nach Akoris
begleiten. Dort werde ich im Haus meiner Freunde sein und mich
ausruhen. Und dort wird mich auch eines Tages die Nachricht
erreichen, daß Ägypten wieder selbständig wird."
Genau dies taten wir.
Aja-nefer kam und dankte mir überschwenglich. Für sie
war die Operation keine Belastung gewesen. Nur das große
Pflaster in ihrem Rücken ließ erkennen, daß sie die
Trägerin des Parasiten und, dank der Steigerung ihrer
natürlichen Klugheit, die beste Beraterin des Pharaos gewesen
war. Ich hoffte, daß mein erster und einziger Versuch, die
Kräfte des Parasiten positiv einzusetzen, nicht scheitern würde.
Ich hatte scheinbar eindeutig Stellung genommen und gegen den Befehl
von ES verstoßen, aber ich sagte mir, daß die Existenz
eines bewußt eingesetzten Symbionten den Barbaren von Larsaf
Drei mehr helfen würde als die Ausrottung aller anderen
Zellmassen.
Shainsa-Tar und Ptah-Sokar erwarteten mich in Akoris.
20.
Fast einen Mond später nach mehreren Reisen durch die
verschiedenen Gaue des Nillands, schien sich abermals der Kreis
geschlossen zu haben. Ptah, Shainsa und ich saßen in tiefen,
fellbezogenen Sesseln auf der kleinen Terrasse. Wieder einmal stand
ein riesiger Vollmond halb über dem Sand, zur anderen Hälfte
über dem Garten. Wir tranken dünnen Wein und fühlten
uns wohl.
“Zakanza sollte hier sein", murmelte Ptah. “Er
liebte den Lärm, aber er liebte auch solche stillen Abende."
“Er wird niemals wieder mit
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