PR TB 212 Expedition Der Todgeweihten
ließen sich die
normalen Semester relativ gut durchstehen, bei Examenssemestern wurde
es dann langsam kritisch auch die Ferien wurden dann für
Prüfungsvorbereitungen benötigt. Hatte der geheimnisvolle
Brief mit finanziellen Dingen zu tun? Kamee beschloss, dem Rätsel
endlich die Stirn zu bieten. Sie nahm den Umschlag auf und öffnete
ihn. Abgesandt war er von einem renommierten Anwaltsbüro,
Armstrong, Armstrong & Armstrong, Kamee hatte davon gehört,
ein piekfeiner Laden. „Was wollen denn die von mir?“
fragte sich Kamee. Der Inhalt war knapp und klare. „Sie werden
ersucht, sich am 1.7.2400 in unseren Räumlichkeiten einzufinden.
Auslagen werden erstattet.“ Das war alles. Kein Hinweis
aufirgendwelche Absichten, aufForderungen, weder Unangenehmes noch
freudige Überraschungen. Sie solle einfach kommen.
Automatisch sah Kamee auf die Uhr. Die Digitalanzeige verriet ihr
zum einen, dass es eigentlich Zeit war für die Frühvorlesung
Thema: Das Institut der culpa in contrahendo und dass man zum zweiten
den 14.6.2400 schrieb. Kamee hatte also noch ein paar Tage Zeit, sich
zu überlegen, ob sie die Einladung annehmen sollte oder nicht.
Hastig schlang die junge Frau die letzten Reste des Frühstücks
herunter. Wenn sie schon die Vorlesung verbummelte, wollte sie in
dieser Zeit wenigstens auf anderem Gebiet etwas geleistet haben.
Kamee räumte das Geschirr fort, danach entfernte sie aus ihrem
Wohnzimmer alle Spuren der letzten Feier. Geburtstage konnten zur
Strapaze werden, wenn man trinkfeste Freunde hatte, stellte Kamee
fest.
Sie bewohnte ein nicht eben kleines Appartement am Rand von
Terrania; sie half dem Sohn des Besitzers bei den Hausarbeiten, und
so hielt sich die Miete in erschwinglichen Grenzen. Eingerichtet
waren die Räume in einem für Kamee typischen Stil viel
helles Holz, viel
Leder, möglichst wenig Metall, keinerlei Kunststoffe. An den
Wänden hingen zum Teil eigene Schnappschüsse, zum anderen
preiswerte, aber technisch gute Reproduktionen alter Meister. Aus den
Lautsprechern klang eine Flötensonate von Johann Sebastian Bach,
während Kamee ihre Blumen goss und in Gedanken immer wieder zu
dem ominösen Brief zurückkehrte. Endlich hatte sie genug
nachgedacht. Sie ließ die Gießkanne stehen, drehte dem
Flötenspieler die Luft ab und griff nach dem Interkom. Auf dem
Briefkopf war die Nummer aufgedruckt. Die Robotstimme, die sich am
anderen Ende der Leitung meldete, schaffte es sogar, so blasiert zu
klingen, wie man es bei einer auf altenglisch frisierten Kanzlei
vermuten durfte. „Ich hätte gerne Mister Armstrong
gesprochen“, sagte Kamee aufs Geratewohl. „Bedauere,
Mister Armstrong ist verstorben, bereits vor längerer Zeit“,
antwortet der Robot vornehm. Auf dem Bildschirm erschien gleichzeitig
das Firmenschild drei stark verschnörkelte, ineinander
verschlungene As. „Dann hätte ich gerne Mister Armstrong
Zwo gesprochen“, fuhr Kamee fort. Auch der zweite Inhaber der
Firma war schon vor längerer Zeit verstorben. Kamee ersparte es
sich, nach dem Gesundheitszustand des dritten Inhabers zu fragen
vermutlich lag er auch schon im Grab. „Geben Sie mir
irgendeinen kompetenten Mitarbeiter“, sagte Kamee leicht
gereizt. „Ich verbinde Sie mit Mister Armstrong“, gab der
Robot bekannt. Er schaltete durch. „Guten Tag“, sagte
eine freundliche Männerstimme. „Wie kann ich Ihnen
helfen?“ Kamee war fassungslos. Auf dem Bildschirm war ein Mann
aufgetaucht, knapp dreißig Jahre alt, dunkelhaarig,
sonnengebräunt, sehr regelmäßige weiße Zähne.
Er trug einen sehr konservativen Anzug. „Konnte diese elende
Maschine nicht gleich durchschalten?“ fragte Kamee instinktiv.
Armstrong lächelte. „Ein kleiner Trick“, gab er zu.
„Die meisten Kunden rechnen damit, dass auch der dritte Inhaber
bereits unter der Erde liegt, und sind dann ein wenig verblüfft,
wenn durchgestellt wird. Das gibt mir ein paar Augenblicke Zeit, den
neuen Kunden zu beschnuppern. Was kann ich für Sie tun?“
,,Ich bin Kamee Nyssen", sagte die junge Frau. Sie wedelte
mit dem Brief vor der Aufnahmeoptik. , Sie haben mir diese obskure
Einladung geschickt?“,,Ich erinnere mich", sagte
Armstrong. ,,Ja, der Brief stammt von uns." ,,Kann ich
Einzelheiten erfahren?" fragte Kamee. „Was soll das alles?
Ich habe Wichtigeres zu tun, als mich zu absonderlichen
Zusammenkünften einladen zu lassen." ,,Ich bin nicht
befugt, darüber Auskünfte zu geben, Miss Nyssen",
sagte der Notar. Kamee sah, dass seine Rechte in einem
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