PR TB 238 Kampf Der Tausend Schiffe
Pässe des Zagrosgebirges und
durch Kappadokien und abermals über den Halys-Fluß endete
diese hervorragend ausgebaute Verbindung schließlich in Sardes,
der Stadt in Lydien. Schneller Wechsel der Pferde und Boten
ermöglichte es, daß eine Botschaft zwischen Sardes und
Susa nicht länger brauchte als sieben Tage. Entlang dieser
Straße, die zusammen mit den Herbergen und den Poststationen
ein erster Beweis für die zivilisatorische Leistung des
Mederreiches war, wollten Charis und ich Erfahrungen sammeln.
Ich wandte mich an Charissa und sagte in beiläufigem, fast
herablassendem Tonfall:
»Du wirst dir alle Beobachtungen merken und mir heute abend
im Quartier berichten!«
Sie neigte den Kopf und erwiderte unterwürfig:
»Ja, Herr. Ich sehe schon jetzt, daß die Menschen hier
fleißig sein müssen. Ihre Mienen sind nicht sehr
fröhlich.«
Am frühen Morgen waren wir in den Wagen eingestiegen. In
gleichmäßiger Geschwindigkeit ging es über eine
breite, sandige Straße dahin. Rechts und links erstreckten
sich, nachdem wir das sumpfige Delta hinter uns gelassen hatten,
große, wohlbestellte Felder. Ochsen und Esel bewegten riesige
Schöpfräder, die sich mit leierndem Kreischen unablässig
drehten. Die Seiten der Straße waren von Wegzeichen,
Steinsäulen und Bäumen gesäumt; auf vielen Koppeln
weideten Pferde, Rinder und Schafherden. Überall sahen wir
arbeitende Menschen; es hatte wohl die Zeit der Herbstaussaat
begonnen. Buckelrinder wurden an die Kanäle zur Tränke
getrieben; jene Kanäle, die sich netzartig erstreckten, so weit
das Auge sah. Gegen Mittag hob Paiter den Arm und rief mit
staubverkrustetem Gesicht:
»Hier wechseln wir die Pferde. Ein Mahl in der Schänke
ist bereitet, denke ich.«
Die Augen und Ohren des Großkönigs waren
Vertrauenspersonen, die über alles, aber auch alles, direkt
berichteten. Sie hatten als einzige ungehindert Zutritt zum Großkönig
oder zumindest zum Hazarapatish, dem Chiliarchos oder Großwesir.
Man fürchtete und achtete sie; die Beamten des Reiches standen
mit ihnen auf gespanntem Fuß.
Der Wagen mit den dampfenden Rossen bog auf einen kleinen Platz
ein. Als wir vor den Häuserfronten Einzelheiten der Szenerie
erkannten, erschraken wir.
Später wiederholten sich solche Eindrücke. Jetzt
leuchtete die Sonne herbstlich schräg herab; die kantigen Häuser
mit den zierlichen Geländern an
den Dächern, die Palmen und Tamarisken, deren Laub sich
schütter gefärbt hatte, warfen pechschwarze Schatten mit
goldenen Rändern. Etwa fünfzehn Frauen und Männer
standen, nackt oder fast nackt, an steinerne Säulen gebunden.
Männer mit kalten Gesichtern gingen zwischen ihnen hin und her.
Sie trugen blutige Messer in den Händen. Hier schrie und
wimmerte eine junge Frau, der man das Ohr halb abgeschnitten hatte.
Mehrere Männer hatten buchstäblich zerfleischte Rücken,
deren Wunden von den Riemen der Peitsche stammten. Eine größere
Menschenmenge hatte sich angesammelt und starrte auf die Darbietung.
Unser Gespann rasselte und knarrte durch die auseinanderstiebenden
Dorfbewohner und auf das ausladende Vordach der Schänke zu, die
durch einen riesengroßen Krug aus Ton und an die gekalkte
Hauswand gemalte Früchte gekennzeichnet war.
In das Keuchen der Pferde, deren Gebisse gelb schäumten,
mischte sich meine harte Frage.
»Wer bestraft diese Menschen? Was haben sie getan, daß
sie so verstümmelt werden?«
Charis oder Charissa stützte sich schwer auf die
ledergepolsterte Brüstung des Wagenkorbes und betrachtete die
Szene mit weit aufgerissenen, großen Augen.
Paiter sagte kurz:
»Sklaven. Sie arbeiteten zu wenig, sie stahlen, schliefen
unter dem Busch. was weiß ich.«
Bis vor wenigen Augenblicken war ich von der Ordnung der Felder
und Weiden, vom Fleiß der Arbeitenden und von der
Übersichtlichkeit des Geländes beeindruckt gewesen. Ich
dachte ruhig nach. Inzwischen pfiffen die geschwänzten
Peitschen. Diejenigen, die ausgepeitscht wurden, schrien und heulten.
Zwei Frauen hingen ohnmächtig an den Steinsäulen. Ein
vierschrötiger Mann kam, griff in einen Beutel und rieb ihre
blutenden Rücken mit etwas Weißem, Körnigem ein. Mein
Logiksektor sagte knapp:
Es ist Meersalz, Atlan!
Kreischend und zuckend wanden sich die Körper. Dumpf starrte
und murrte die Menge. Langsam kletterte ich aus dem Wagenkorb und
ging zum Brunnentrog. Paiter schien völlig unbeeindruckt.
»Wer spricht die Strafe aus?« fragte ich. Die Ringe an
meinen Fingern funkelten und blitzten im
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