PR TB 238 Kampf Der Tausend Schiffe
unbeteiligt. Sie gehorchten
klaren Befehlen, soviel war sicher. Ich ließ die Hand mit dem
Dolch sinken - ein Zeichen, daß ich mich nicht fürchtete.
Der Anführer sagte mit tiefer Baßstimme:
»Wir gehorchen Befehlen. Wenn du dich nicht wehrst,
Wundheiler, geschieht dir nichts.«
»Ihr bringt mich weg?«
»So ist es befohlen. Hole dein Werkzeug und deine
Tinkturen.«
Im Haus herrschte ungewohnte Stille. Mit Sicherheit hatten sich
alle beim Kommen der Soldaten verkrochen. Ich trennte mich fast nie
von dem unersetzlichen Armband, mit dem ich jederzeit Verbindung mit
Rico und Ptah herstellen konnte; auch jetzt trug ich es am
Handgelenk.
»Ich soll, wenn ich es recht bedenke, einem Mann helfen, zu
dem ihr mich bringt?« fragte ich und zog mich hastig an. Wilde
Vermutungen schossen durch meinen Kopf. Die Soldaten hielten jede
Fluchtmöglichkeit versperrt. Ich hob mein persönliches
Gepäck auf; der Logiksektor meldete sich nicht.
»Komm mit uns!«
Ich schob den Dolch in den Stiefel und folgte den Anführern.
Wir durchquerten das Haus, und je mehr wir uns dem Ausgang näherten,
desto mehr Soldaten stießen zu uns. Pferdegespanne warteten.
Eine Handbewegung hielt mich auf. Der Anführer knotete ein
schwarzes Tuch, das nach schweren Riechwassern roch, um meine Augen.
Du wirst einen sehr wichtigen Patien ten haben, mutmaßte der
Extrasinn.
Die Soldaten brachten mich durch den weiträumigen Garten bis
zu den Kampfwagen. Befehle hallten durch die Stille der Nacht.
Nacheinander ruckten die Gespanne an und ratterten davon. Irgendwo
heulten Hunde, weit draußen in dem Vorgebirge schrie ein Löwe.
Ich hielt mich am Wagenkorb fest, die Hand eines Anführers
stützte mich an der Schulter. Ich versuchte, mir die
Richtungsänderungen zu merken, aber ich gab es bald auf, weil
ich erkannte, daß es sinnlos war. Am Ende der Fahrt würde
ich meinen Patienten sehen. Wieder hörte ich Befehle und Rufe.
Die Felgen knirschten jetzt auf Steinplatten. Keuchende Pferde wurden
angehalten. Ich wurde vom Wagen gezogen, betrat eine Reihe von
dreiunddreißig großen Stufen, dann öffneten und
schlossen sich Torflügel. All die vagen Eindrücke, die mich
erreichten, deuteten darauf hin, daß ich mich in einem
geräumigen Palast befand: der Nachhall aller Geräusche, ein
fremder Geruch, huschende Bewegungen rundum, die ich mehr ahnte als
bewußt wahrnahm. Schweigend brachten mich die Leibgardisten des
Xerxes in einen kleineren Raum, dessen Türen geschlossen und mit
scharrend gleitenden Riegeln gesichert wurden.
Dann nahm man mir die Augenbinde ab.
Wände aus sorgfältig geglätteten Quadern. Tiefe
Einsprünge für Türen und Fenster, gewebte Vorhänge
und Feldzeichen in erzenen Halterungen. Ein riesiger Tisch aus Stein
in der Mitte des Raumes war von Pergamentrollen und Schreibleder
bedeckt. Dahinter stand ein breitschultriger Mann auf, nach Art der
persischen Elitesoldaten gekleidet. Er hob grüßend die
rechte Hand und bedeutete den Soldaten, den Raum zu verlassen. Sie
gehorchten widerstrebend, aber schweigend. Ich gewöhnte meine
Augen an das flackernde Licht zahlloser Öllampen, die entlang
der Wände auf Simsen standen und den Raum stark erwärmten.
Es roch nach Leder und nach dem Schweiß von Pferden.
»Atlan, der Mann aus Mudraya?«
»So ist es«, sagte ich. »Wenn alles richtig ist,
was ich hörte, bist du Mordonios, der größte Feldherr
des Großkönigs.«
Er nickte und deutete auf einen prächtigen Sessel, der von
edlen Fellen überhäuft war. Ich fragte:
»Warum dieser Aufwand? Ich wäre auf deinen Wunsch
freiwillig gekommen und hätte dir geholfen, Vater der Lanzen.«
Mordonios war ein seltsam düsterer Mann, er schien von
Verantwortung und Sorgen gezeichnet zu sein. Ich sah, daß sein
Bart von vielen silbernen Fäden durchzogen war, ebenso wie sein
Haupthaar. Seine Hände waren groß und ungewöhnlich
kräftig. Diesmal schüttelte er den Kopf und brachte ein
zögerndes Lächeln zustande.
»Es geht nicht um mich. Niemand aus dem Volk darf es wissen.
Und du stirbst, wenn du es ihnen sagst.«
»Ich kenne diese Geheimnistuerei von unseren Priestern. Auch
sie wollen unsterblich und gesund erscheinen, immer und jedem
gegenüber.«
»Krank ist der Mann, dem sechsundzwanzig Satrapen huldigen!«
Er benutzte das altpersische Wort xshath-rapavan dafür. Ich
zuckte zusammen. Damit hatte ich nicht gerechnet! Mordonius goß
Wein in schmucklose Becher aus Ton, reichte mir einen und sagte in
befehlendem Tonfall:
»Mehr als
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