PR TB 238 Kampf Der Tausend Schiffe
dieses Schiff zu entern, rauschten die
Meder mit geblähten Segeln mitten in die eigenen Schiffe hinein
und rammten sie mit furchtbarem Erfolg.
An Steuerbord, zur offenen See hin, wurde ein Schiff aus
Halikarnassos von zwei Griechen verfolgt.
Überrascht sah Recabarren, daß neben dem Steuermann
eine Frau stand. Jetzt wußte er es; es war die Fürstin der
Karer, Artemisia.
Ihr Schiff trug die Spuren von Kämpfen, aber es segelte und
wurde gerudert. Die Griechen waren schneller, ihre Schiffe leichter -
sie kamen unerbittlich näher.
Artemisia wußte, daß sie einen zweiten Kampf nicht
mehr riskieren durfte. Nicht mit den attischen Schiffen, auf denen
ausgeruhte Männer ruderten.
Ihr Blick ging wie gehetzt nach Steuerbord und Backbord. Keine
Fluchtmöglichkeit auf beiden Seiten!
Und vor ihr eine dichtgedrängte Reihe eigener Schiffe, die
ihrerseits versuchten, die Griechen anzugreifen. Jetzt überholte
das attische Schiff seinen Nachbarn und näherte sich mit
schnellen, peitschenden Schlägen der Riemen. Eine schäumende
Bugwelle und die Gischtwirbel der eingetauchten Riemenblätter
verfolgten die Fürstin. Es gab kein Entkommen mehr: sie stürzte
auf den Steuermann zu und schrie ihm ihre Befehle entgegen. Er
starrte sie entsetzt an, gehorchte aber augenblicklich. Wenige
Augenblicke später hatte er ihr Vorhaben durchschaut.
Ein kleineres Schiff, schon angeschlagen, tauchte unmittelbar vor
dem Bug auf. Es war ein Ruderer aus Kalynda, dessen Bug herumschwang,
als das Schiff kurz vor dem Heck getroffen und aus dem Kurs geworfen
wurde. Kurz vor dem Zusammenprall konnten die Ruderer viele Riemen
einziehen. Es
brachen nur wenige, und als das Schiff des Damasithymos
vollschlug, sich schwer und langsam zur Seite legte und zu sinken
begann, kam das Schiff der Fürstin wieder frei und wurde
davongerudert.
Dem Ruderer aus Attika schoben sich die Schnäbel der Perser
entgegen, die vor dem Rammstoß der Artemisia ängstlich
auseinandergedriftet waren.
Der Verfolger schien zu glauben, Artemisias Schiff wäre ein
eigenes, weil es ein persisches Schiff gerammt hatte und freigekommen
war. Er drehte ab und suchte sich in dem chaotischen Durcheinander
ein Ziel aus, das noch nicht von anderen Schiffen eingekreist war.
Einige Schiffe der Perser, schwer angeschlagen, mit Toten und
Verletzten übersät, versuchten zu fliehen. Sie suchten sich
einen Weg nach Süden und dann nach Osten, um zum Phaleron zu
entkommen, dem älteren Hafen Athens, der fest in der Hand der
Meder war.
Aber eigene Schiffe, die sich in den Kampf stürzten, kreuzten
den Kurs der dahinschleichenden Einheiten und prallten mit ihnen
zusammen. Allen Persern war inzwischen bewußt, daß nur
ein Geschenk des Ahuramazda, ihres Gottes, ihnen den Sieg an diesem
Tag noch schenken konnte.
Die Schiffe, die in den ersten Stunden des Nachmittags den
Athenern entkamen, wurden jenseits der Insel von den Aigineten
angegriffen und zum großen Teil vernichtet. Das Meer füllte
sich mit Schwimmenden, die nichts anderes im Sinn hatten, als zu
überleben. Sie klammerten sich an Trümmer und wurden
mitleidslos von den eigenen Leuten unter das Wasser gedrückt,
wenn die scharfen Bugsporne durch die See schnitten.
Der Wind, der an diesem furchtbaren Tag herrschte, war von
absoluter Mittelmäßigkeit. Fischer hätten ihre Freude
an ihm gehabt, denn er wehte gleichmäßig stark aus
westlicher Richtung. Alle Schiffe konnten ihre Segel nach diesem Wind
ausrichten. Ganz wenige Wolken trieben über den Himmel. Die See,
das Wasser, eines der Elemente, die von den Griechen beherrscht
wurden, hatte sich verwandelt. Jeder, der auch nur einen Funken
Gläubigkeit besaß oder, durch die Anstrengung der Kämpfe
noch immer nicht abgestumpft genug war, starrte in die vielfach
gebrochenen Wellen und auf die Felsen der zerklüfteten Ufer.
Viele Parasangen oder Stadien weit war die Oberfläche des
Meeres bedeckt mit Gegenständen und Dingen, die niemand je
gesehen hatte.
Hunderte Schiffe waren vernichtet.
Griechen und Ägypter, Tonier und Phoiniker, kleine und große
Schiffe waren versunken und ragten nur noch mit den Spitzen der
Masten aus dem Wasser. Das riesige flache Gewässer starrte vor
Wracks, die an den seichten Stellen auf Grund gegangen und gekippt
waren. Die Spanten, von denen die Planken abgefallen oder
heruntergebrannt waren, ragten wie die geschwärzten Teile
gestrandeter Wale in die Höhe. Im weiten Umkreis war das Wasser
von dem schaurigen Abfall der Seeschlacht bedeckt, die noch
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