PR TB 242 Herr Der Hundert Schlachten
der Brand unlöschbar
geworden waren.
Jemand stolperte auf mich zu. Ich erkannte Alexander, der sich den
Blütenkranz vom Kopf riß und über die Schulter
schleuderte.
Charis und ich waren hier wohl die einzigen Menschen, die gewohnt
waren, in großen geschichtlichen Zusammenhängen zu denken.
Der Brand, der von Sekunde zu Sekunde größer und
furchtbarer wurde und sich auf die anderen Palastbezirke auszudehnen
begann, schadete Alexander mehr, als jemand ahnen konnte.
»Du brennst Persepolis nieder, Alexander«, sprach ich
ihn an und kam in
das vage Licht anderer, neuer Fackeln, die von Soldaten gehalten
wurden. Die Schattenlinie vor uns wich schrittweise zurück, weil
die Flammen größer, breiter und höher wurden. Durch
das Heulen, Jaulen und Krachen schrie der Makedone zurück.
»Ich wollte Athen rächen - und jetzt bedaure ich es.«
»Es ist nicht mehr ungeschehen zu machen«, sagte ich,
packte ihn an der Schulter und drehte ihn halb herum. Die Flammen
beleuchteten jetzt sein Gesicht, in dem es zu arbeiten schien. Seine
Miene, die ständig wechselte, war schwer zu deuten.
»Der Brand bedeutet in deinem Leben einen Einschnitt, tief
wie eine Erdspalte«, sagte ich. Verständnislos wandte er
sich um. Er blinzelte, als er in meine Augen starrte.
»Es ist dein erster schwerer Fehler, Alexander«, sagte
ich. »Perseus tötete die Gorgo Medusa. Herakles brachte
den Menschen das Feuer. Und du nimmst es, um wegen einer Hetäre
einen Palast anzuzünden. Ganz Persien und der Osten werden es
erfahren.«
Er erwiderte tonlos, wie halb in einer Ohnmacht:
»Mein erster Fehler, wirklich.«
Meine Stimme war laut und schneidend geworden. In diesen
Augenblicken vollzog ich innerlich den Bruch mit dem Welteneroberer.
Ich fuhr fort.
»Vielleicht folgen noch größere Fehler,
Alexander.«
»Ich habe ein Reich zu erobern«, knirschte er. »Was
bedeutet ein Palast?«
»Es ist ein Zeichen«, sagte ich. »Eines Tages
wirst du wieder einen Fehler machen, einen solchen wie jenen«,
ich zeigte auf das brausende Feuermeer, »und das wird dein
letzter Fehler sein, dein letzter falscher Entschluß aus der
Gottähnlichkeit heraus.
Und dieser letzte Fehler wird tödlich sein, Alexander.«
»Wer bestimmt darüber?«
»Andere, ungleich größere Mächte«,
sagte ich. »Du wirst es merken, denn Eroberern gönnen die
Götter keinen sanften Tod.«
Ich ließ ihn stehen und ging zu Charis zurück. Seit ich
sie kannte, meinte ich zu wissen, was Liebe wirklich war.
Mit den ehernen Kriegern, sämtlichem Gepäck, über
uns den Adler, verließen Charis und ich einige Tage später
die kolossale Ruine. Hinter uns folgte in der Wärme des fünften
Mondes das Heer. Alexander zog nach Osten, nicht zu den Küsten
des Binnenmeeres. Nunmehr war er zum Söldner seines Wahnsinns
geworden.
Fortsetzung in TB 245 - Das
Ende eines Herrschers
ENDE
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