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PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten

PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten

Titel: PR Tefroder 03 - Die Stadt der tausend Welten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wim Vandemaan
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Leuchten. Die Duftpulser pufften ihre olfaktorischen Bojenwolken aus, an denen sich Jennadi, Soullo, Gui Col und Benc orientierten.
    »Wohin gehen wir«, flüsterte die Gesprächsblume. Es klang ein wenig erschrocken. Roch sie den Duft der Bojen?
    Wohl kaum. Und selbst wenn: Ausgebildete Gesprächsblumen schnatterten meist munter vor sich hin. Manchmal sagten sie erstaunlich weise Sachen, jedenfalls für Lebewesen, die kein zentrales Nervensystem, geschweige denn ein Gehirn besaßen. Manche meinten, alle ihre Äußerungen wären bloße Echos, akustisches Mimikry-Verhalten.
    Pancib wusste es nicht. Mochte sein, dass sie nur nachplapperten, aber dann doch verblüffend situationssicher. Hin und wieder konnte man jedenfalls den Eindruck gewinnen, tatsächlich mit einem vernünftigen Wesen zu sprechen.
    »Wohin wir gehen?«, wiederholte Pancib die Frage.
    »Ja. Wohin gehen wir«, sagte die Blume.
    »Wir gehen heim«, sagte er. »Heim ins Hotel Zum verunglückten Bergsteiger. Es gehört meinem Herrn, Gonddo Munussaje. Das heißt: Eigentlich gehört es dem Herrn meines Herrn, Cancatarn. Er ist ein Stabafarc.«
    Ich rede mit ihm wie mit Yrin, erkannte Pancib. Yrin ist alt. Vielleicht halte ich nach einem neuen Partner Ausschau. Ich möchte keinen neuen Maccarney. Es wird niemals wieder einen Maccarney wie Yrin geben. -Behüte! Ich rede ja selbst wie ein alter Mann. Alter ist eine ansteckende Krankheit. Ob die Stabafarc etwas dagegen haben? Er kicherte in sich hinein. Was war er denn, wenn nicht ein alter Mann?
    »Alles ist lustig«, sagte die Gesprächsblume.
    »Ja, es ist lustig«, stimmte er zu.
    Ein kleiner Trupp Gui Col kam ihm entgegen. Sie mussten im Sacrum Illur gewesen sein. Sie trugen ein Büßergewand, einen weißen Überwurf, auf den sie ihre Verfehlungen notiert hatten. Jeder von ihnen hatte einen ganzen Kranz dürrer Ärmchen aus der Gebildegrube gedrückt. Jede Hand hielt eine Kerze.
    Die Gui Col plauderten, lachten. Sie machten insgesamt einen sehr erleichterten Eindruck. Unbeschwert wie Kinder, dachte Pancib. Vielleicht sollte ich das Sacrum doch einmal aufsuchen.
    Er wich den Gui Col aus.
    Die Gasse weitete sich. Wenn er eines Tages wirklich hinauf zum Sacrum Illur wollte, müsste er sich nur geradeaus halten. Rechter Hand führte die Gasse der Neun Unwirklichkeiten hinab zum Sektor 31/2: Ipers Traumblut & Öffentliche Verwaltung. Dort saßen die für Gonddo Munussajes Hotel zuständige Finanzinspektion und das Servicekontrollbüro.
    Linker Hand verengte sich die Gasse noch weiter, bis man - und Pancib hatte es einmal leibhaftig versucht - nur noch mit der schmalen Seite vorankam, um endlich doch stecken zu bleiben. Schließlich war die Gasse nur noch handspannenbreit - gerade breit genug für die Soullo, die dort ihre Trauergerbereien unterhielten. Dort salzten sie die Häute und äscherten sie mit Kalkmilch, tränkten sie mit gerbstoffreicher Lohe und Alaun. Der pestilenzische Gestank der faulenden Häute und der zugesetzten Chemikalien drang in die Gasse des Bußfertigen Anstiegs hinein.
    Pancib bog nach rechts ab. Die Gasse der Neun Unwirklichkeiten mäanderte ein wenig, um bald darauf an Breite zuzulegen und sich zur Allee der Neun Unwirklichkeiten zu weiten.
    An beiden Seiten der Allee standen Flammbäume, die zu dieser Zeit tatsächlich, wie ihr Name versprach, in Flammen standen. Natürlich nicht die Bäume insgesamt, nur ihre Kronen, die, wenn sie in der Nacht kein Gas ausdünsteten, das sich an der Luft entzündete, von Sagglan-Käfern befallen und binnen weniger Tage verzehrt worden wären.
    Die Gebäude waren höher hier; zwanzig, vierzig, fünfzig Stockwerke waren keine Seltenheit. Das mochte im Vergleich zu den StratosphärenHeimen niedrig, ja platt erscheinen.
    Aber in den Sektoren 29/7 bis 32/0 machte das durchaus etwas her.
    Es ging auf Mitternacht zu. Dennoch war die Straße belebt fast wie am lichten Tag. Und das nicht, weil nun der besonders nachtaktive Teil der Stadtbevölkerung unterwegs war, vor allem die Iwwyn, die Ghourimen oder die Xu.
    Sondern weil alle Welt unterwegs war, rastlos, getrieben, unermüdlich.
    Nein, unermüdlich war das falsche Wort. Viele der Nachtwanderer wirkten alles andere als unermüdlich. Sie wirkten im Gegenteil übermüdet, erschöpft, ja so restlos erschöpft, dass selbst die Erschöpfung verbraucht war. Rastlos, getrieben.
    Getrieben wovon eigentlich?
    »Wohin gehen wir«, sagte die Gesprächsblume.
    Sie hat recht. Das ist eine gute Frage. Wohin gehen wir?

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