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PR2603-Die instabile Welt

PR2603-Die instabile Welt

Titel: PR2603-Die instabile Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marcus Thurner
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ausgewiesener Mann nahm die immer heftiger werdende Auseinandersetzung mit einem gleichgültigen Schulterzucken zur Kenntnis. Diese Streits waren für ihn wohl nicht ungewöhnlich. Er brachte Holo-Projektoren in Stellung, verschob die Bühne mithilfe eines Antigravfeldes um einige Zentimeter und kaute dabei lustlos auf einem Gummi herum, der mit jeder Blase das Profil eines anderen Fußballers der terranischen Fußball-Profiliga zeigte. Neroverde meinte, einen Spieler mit grau-meliertem Haar namens »Leador« zu erkennen, den ihr Vater außerordentlich geschätzt hatte.
    »Ich möchte endlich gehen!«, forderte Awkurow. »Die Musiker spielen gegeneinander. Gibt es denn bei euch kein Gefühl für Synchronizität?«
    »Ich dachte, dass ihr Todringer den Individualismus fördert?«
    »Ganz im Gegenteil! Unsere Ausbildung erfolgt zwar in Kleingruppen, und ein gewisser Egoismus wird durchaus verlangt. Vor allem in Hinsicht auf die Quarring ...«
    »Quarring?«
    »Das sind Kampfturniere. Sie werden nach Bedarf in unbesiedelten Höhlen ausgerichtet.«
    »Was bedeutet: nach Bedarf? «
    »Die Klanmütter trachten danach, einerseits die Bevölkerungszahlen stabil zu halten und andererseits die begabtesten Todringer mit Verschmähten Gaben auszufiltern. Bei den Quarring werden die Besten der Besten gekürt. Und die Verlierer ...«
    »Ja?«
    »... sie werden zum Wohl des Volkes getötet. Versager sind in der Tiefe unserer Welt nicht sonderlich gut gelitten.«
    Neroverde schwieg betroffen und versuchte sich vorzustellen, unter welch erbärmlichen Bedingungen die Todringer lebten. Ihre Ressourcen waren äußerst beschränkt, Feuereinbrüche sowie Beben bildeten ein stetes Gefahrenpotenzial.
    Die Klanmütter gebaren, ihrem Naturell entsprechend, viel zu viele Kinder. Die meisten Larven wurden unmittelbar nach dem Schlupf entsorgt, nach Kriterien, die Neroverde nicht nachvollziehen konnte. Und da trotz aller Widernisse zu viele Todringer zu alt wurden, nutzte man quasi sportliche Wettkämpfe für eine weitere Form der Auslese.
    »Disziplin und Konformität sind die höchsten aller Tugenden«, fuhr Awkurow ruhig fort, als hätte er nicht eben über eine der grausamsten Facetten im Leben der Todringer berichtet. »Individualisten wie ich zeichnen auf Orontes meist nur wenige Lebenswindungen.«
    »Du warst also immer schon ein Außenseiter?«, hakte Neroverde nach. Sie musste sich auf andere Gedanken bringen, unbedingt!
    »Ich wurde seit jeher als Wunderwurm eingestuft. Ich musste mit diesem Vorschuss leben – und mit der Eifersucht anderer Todringer. Ich vermute, dass meine Rückkehr in die Heimat niemals eine Option gewesen ist. Mein Lehrvater Perpelois und Gruppenführer Dorjanpol hatten gewiss die Anweisung von Batritza, mich während möglicher Kampfhandlungen gegen die Eindringlinge von oben, also gegen euch, unauffällig zu entsorgen.«
    Sie verließen den Rosegarden Dome. Die Musiker nahmen soeben wieder ihre Arbeit auf. Ein letzter Akkord erklang, dann lag das gesperrte Akustikfeld hinter ihnen.
    »Wohin jetzt?«, fragte Awkurow. Wieder einmal wechselte er abrupt das Thema.
    »In die Medo-Abteilung«, kündigte Heatha Neroverde an und suchte den Blickkontakt mit dem Augenkranz des Todringers. »Wenn du erlaubst. Es wäre ein Umweg, und es gibt keinen offiziellen Anlass, die Krankenstation zu besuchen.«
    »Aber?«
    »Aber ich möchte von einer Sterbenden Abschied nehmen.«
    »Dann gehen wir. Der Tod ist immer wieder eine interessante Angelegenheit, nicht wahr?«
    Neroverde murmelte etwas, das der Translator als »Ja« deuten mochte. Sie verstand die Mentalität des Todringers nicht, und in diesen Augenblicken verließ sie jegliche Lust, mehr über Awkurows Beweggründe herauszufinden. Seine Art war ihr schlichtweg zuwider.
     
    *
     
    Tres Alucc saß da wie ein Häufchen Elend. Sie wirkte blass. Blassblau. Die roten Haare hingen der jungen Frau wirr ins Gesicht, und sie zitterte.
    Neroverde näherte sich mit klopfendem Herzen. Was sollte sie sagen, wie sollte sie sich verhalten?
    Sie trat zu Tres und legte ihr die Hand vorsichtig auf die Schulter. Die Sängerin zuckte zusammen und sah sich irritiert, fast panisch um.
    »Du? Was suchst du hier?« Tres klang bis aufs Äußerste gereizt.
    »Ich … wollte mich bloß erkundigen, ob ...«
    »Alle wollt ihr euch das Sterben meiner Schwester ansehen!«, schrie Tres, sprang auf und ballte die Hände. »Ihr heuchelt Mitleid – und seid insgeheim froh, weil es sie erwischt hat und

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