PR2609-Im Reich der Masken
analysieren«, versprach ich. Dafür benötigte ich jedoch nicht meine volle Aufmerksamkeit, und so blieb mir Zeit für wichtigere Dinge. Ich hatte jenen Tag schon tausend Mal nachvollzogen. Vielleicht würde das tausendunderste Mal neue Erkenntnisse bringen, auch wenn der Verstand diese Hoffnung Hohn sprach. Was sollte ich in meinem Gedächtnis Neues entdecken?
Beging ich am Ende exakt den Fehler, den ich eben noch Alraska in Gedanken vorgehalten hatte?
So unlogisch der Versuch war – was konnte ich dagegen tun? Es gab nun einmal dieses Verlangen in mir, diesen drängenden Wunsch, dieses Begehren, mehr zu erfahren und zu verstehen.
Ich durfte das alles nicht verleugnen.
Selbst wenn ich deshalb letztlich in der Flamme der Erkenntnis verbrannte. Der lodernde Tod wäre ... schön. Ein würdiges Ende. Und auf jeden Fall besser als die Zweifel, die mich auffraßen.
*
Ein Wesen aus Metall springt auf mich zu.
Es ist kleiner als ich, hüpft auf vier Beinen, schlägt einen Haken und steht plötzlich vor mir. Eine Ahnung ergreift mich, als ob ich es kennen müsse.
»Was machst du?«, will es wissen, während ich gleichzeitig frage: »Wer bist du?«
Dann schweigen wir beide und überlegen, wer den nächsten Schritt tun soll; im direkten wie im übertragenen Sinn.
Das Wesen starrt mich an. Es ist künstlich, doch seine Augen leuchten lebendig. Obwohl es mir nur bis zu den Knien reicht, habe ich Angst vor ihm.
Tatsächlich, ich fürchte mich. Vielleicht, weil ich mich ertappt fühle. Ein eigenartiges Empfinden, gerade in der LEUCHTKRAFT, im Hort der Sicherheit und der Zuversicht.
Lange Ohren hängen an der Seite des Kopfes hinab, die sich nun aufrichten und wie dünne Metallfolie knistern. Über dem kleinen Mund ragen einige Drähte in beiden Richtungen in die Luft.
Schnurrhaare. Dies ist eine seltsame Abart eines Wesens, wie es auf Terra heimisch ist, der Heimatwelt von Alraska. Ehe ich ihn dort ausfindig machte, hatte ich die Daten dieser Welt studiert. Ich weiß alles über die dortige Flora und Fauna, die durchaus faszinierende Elemente aufweist.
»Ich bin einer der Wächter«, sagt das Metallwesen nach einer kurzen Zeit des Schweigens. »Manchmal auch ein Bote. Ich bin nicht festgelegt, vielleicht erhebt mich das über andere.«
»Warum siehst du so aus?«, will ich wissen.
Es richtet sich auf die Hinterbeine auf, wie ein Tier, das Männchen macht. Die Metalldrähte vor seinem Gesicht zittern leicht. »Alaska Saedelaere hat mich als Kaninchen gesehen und seine Wahrnehmung mit dir geteilt. Seitdem habe ich meine Gestalt nur ein bisschen geändert, damit sie zu dir passt. Es ist ökonomisch.«
Ich starre das Wesen an. Daher kenne ich es also. »Zu mir?« Wieso soll dieses seltsame Kaninchen-Ding zu mir passen? Das verstehe ich nicht.
»Du verstehst nicht?«, fragt es, als habe es meine Gedanken gelesen. »Das spielt keine Rolle. Vielleicht wirst du irgendwann so weit sein. Dann kannst du dich daran erinnern, was du soeben gehört hast. Du solltest es nicht vergessen.«
»Ich vergesse nie etwas«, erwidere ich.
Das Wesen starrt mich nur weiter an. »Was willst du hier im Reservat der Proto-Enthonen, im privaten Heiligtum der Frau Samburi Yura?«
»Ich will, dass das Glimmen zur Flamme entfacht wird«, antworte ich, ohne mich groß zu erklären. Es ist mir gleichgültig, ob das Kaninchen-Ding meine Worte nachvollziehen kann oder nicht. Nicht der Bote ist von Bedeutung, sondern ich. Nicht er ist erhoben. Ich.
»Du bist nur hier im Außenbereich geduldet«, meint er zu meiner Überraschung. »Ich werde dich nicht angreifen. Aber mehr nicht. Geh wieder.«
»Das kann ich nicht! Frau Samburi hat mir einmal etwas mitgeteilt, was für mich ein Rätsel bildet. Sie sagte zu mir, dass ich in der Not finden werde, aber nur, wenn ich suche.«
»Und?«
»Ich glaube, dass die Zeit des Suchens gekommen ist.«
»Ein jedes hat seine Zeit.« Das Wesen lässt sich wieder auf seine vier Beine nieder. »Eine Zeit des Suchens und eine Zeit des Findens. Eine Zeit des Säens und des Erntens. Eine Zeit des Verstehens und eine Zeit der Unwissenheit. Das alles ist doch nur ein Haschen nach Wind, den du ohnehin nicht greifen kannst.«
Ich weiß nicht, was ich mit diesen seltsamen Worten anfangen soll. »Ich möchte weitergehen«, beharre ich. »In den Bereich, in dem Samburi Yura wohnte, wenn sie sich kurzzeitig von ihren Pflichten in der LEUCHTKRAFT zurückzog. Ist es schlimm, wenn ich weiter vordringe?«
»Ein jedes
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