PR2619-Planet der Formatierer
Puc. Ich werde es dir sagen. Jetzt?
Routh überlegte und schüttelte dann den Kopf. Er fürchtete, was er erfahren würde. »Nein. Später. Lass uns zunächst Anicee suchen.«
*
Am Morgen dieses 20. September verließ Routh die Nebelschlucht und betrat die Stadt. Zu seiner Überraschung brauchte er schließlich nur wenige Stunden, um Anicee zu finden. Die Stadt machte einen belebteren Eindruck als Whya. Mehr Wegschalen fuhren, oft mit mehreren Sayporanern besetzt, nicht selten mit jungen Terranern oder mit Zofen und Junkern. Immer wieder traf er Menschen, die über die breiten Straßen flanierten.
Routh sah die jungen Terraner sich auf etlichen Sportgeräten ertüchtigen, auf Trampolinen springen im Versuch, über Hindernisse in Wasserbassins zu setzen; er sah, wie sie dreibeinige Löwengiraffen und andere handzahme Tiere fütterten, wie sie im Kreis um Phenubenspieler saßen oder sie zu lebhaften Melodien umtanzten.
Volksfeststimmung, dachte Routh. Fehlen nur die Lebkuchenherzen und Freundschaftslampions.
Nicht wenige Terraner gingen mit Sayporanern Hand in Hand. Sie tun es nicht freiwillig, dachte Routh.
Der freie Wille ist ein eigen Ding, mischte sich Puc ein.
Läufst du eben zu den Sayporanern über?
Puc grinste. Sir, nein Sir. Wäre mir ebenfalls angenehmer, Sir, Feind würde mit Schockwaffen Menschenkinder vor sich hertreiben, Sir, da hätte ich doch gleich ein klareres Feindbild und wüsste, wem und warum in den Arsch treten, Sir!
Er nahm einen Schluck von seinem imaginären Getränk. Ich will sagen: Es könnte alles viel komplizierter sein, als wir im Moment vermuten. Dass die Sayporaner mit biochemisch-technischen Mitteln arbeiten, muss nicht heißen, dass sie den jungen Leuten nicht auch etwas zu sagen haben. Manchmal wollen Manipulierte manipuliert werden, weißt du?
Routh schüttelte ungnädig den Kopf.
Zwischen den Daakmoy segelten etliche der riesenhaften Papierflieger, die Chourtaird Pasinen genannt hatte, ohne sich eingehender über sie zu äußern. Die gigantischen Figuren flogen, schwebten, wurden von wärmerer Luft in die Höhe befördert, drehten und wendeten sich in stiller Erhabenheit. Routh war, als schrieben sie mit unsichtbarer Tinte Orakelsprüche in den samtroten Himmel über der Stadt. Widerwillig musste er zugeben, dass der Anblick der lautlos im Luftraum segelnden, ätherischen Gebilde schön war.
Er riss sich von ihnen los und dachte nach. Im letzten Gespräch, das seine Tochter mit ihrer schwer verletzten Freundin Auris geführt – und das Routh mithilfe von Puc abgehört – hatte, war von einem Mann die Rede gewesen, Benat Achiary. Dieser Benat schien für Anicee von besonderem Interesse zu sein; Auris hatte angriffslustig auf den bloßen Namen reagiert. Mit ihm zusammen hatte Anicee den letzten Schritt gehen wollen, nachdem die Auguren ihnen das Transitparkett bereitet hatten.
Kurz nachdem Routh die Onuudoy verlassen hatte, schien es ihm eine Überlegung wert, nach Achiary zu fragen und über ihn auf Anicees Spur zu kommen.
Puc hatte einen weit einfacheren Weg vorgeschlagen: Anicee ist hier, um neu formatiert zu werden. Aus dieser Neuformatierung machen die Sayporaner kein Geheimnis. Sie wird hier wie in Whya in einer Ikonischen Symphonie vorgenommen werden. Warum solltest du als Bewerber um eine sayporanische Bewusstseinserfrischung keinen Zugang zu dieser Prozedur erhalten?
Routh hatte nicht einmal nach dem Weg zur hiesigen Symphonie fragen müssen. Puc konnte sie anstandslos aus dem Spainkon entnehmen.
Routh erreichte die Ikonische Symphonie der Stadt am Abend. Die Symphonie befand sich am Grund einer sanft abfallenden Senke, vielleicht hundert Meter unter dem regulären Bodenniveau der Stadt. Von dort erhob sich über zwölftausend Meter in die Höhe und gipfelte in einer Art roter Blüte, aus deren Kelch leuchtend rote Lichtstrahlen in den Himmel schossen und ihn wie mit immateriellen Fingern abtasteten.
Routh legte den Kopf in den Nacken und sah dem Lichtspektakel zu.
Ein junger Terraner stellte sich neben ihn. »Du bist erstaunlich alt«, sagte er anstelle einer Begrüßung.
Routh sah ihn verdutzt an. »Oh«, sagte er. »Aber ich bin noch sehr rüstig.«
Der junge Mann lachte. »Klick und klar. Auf Terra oder anderen plumpen Welten würdest du nicht weiter auffallen. Aber hier? Möglich, dass sich dein Bewusstsein gar nicht mehr neu formatieren lässt.«
Routh musste sich ein Grinsen verkneifen. »Vielleicht hat mich mein Beruf jung im Geist
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