PR2619-Planet der Formatierer
nicht verstehe.
Natürlich nicht. Als Mensch kannst du dir synchrone, also nicht lineare Dynamiken nicht vorstellen. Deswegen kannst du dir auch dein Bewusstsein nicht vorstellen. Immerhin wirst du verstehen, dass sich keine klare Trennlinie ziehen lässt zwischen Bewusstsein und Gehirn. Und das Gehirn wird, soweit wir sehen, den Schädeln der Kinder nicht entnommen. Insofern könnte man die Auffassung vertreten, hier werde kein Verbrechen begangen.
Auf welcher Seite stehst du eigentlich?
Pardon – mir war nicht bewusst, dass ich, bevor ich denken und meine Schlüsse ziehen darf, eine moralische Seitenwahl getroffen haben muss, großer Bruder.
Routh hatte sich auf den Boden gesetzt. Der Rasen war weich und merkwürdig warm, wie künstlich geheizt. Unter den drei oder vier Dutzend jungen Terranern, die keine ganze Stunde später aus dem Daakmoy mit der Ikonischen Symphonie traten, unter Gelächter und munterem Schwatzen, ging in vorderster Reihe Anicee.
Routh erhob sich und schlenderte ihr entgegen. Er spürte nackte Angst.
*
»Hallo«, sagte er vorsichtig, darauf bedacht, sich ihr nicht direkt in den Weg zu stellen.
Sie hielt an, ebenso einer ihrer Begleiter.
Die anderen achteten seiner kaum, ganz in die Erzählung eigener Abenteuer versunken, die sie in der Symphonie und unter Einfluss der Phenuben erlebt zu haben meinten.
Die Landung der Sayporaner auf dem Mond. Die Begegnung des Bundes von Say mit dem Monstergehirn, dachte Routh.
»Ich habe nicht viel Zeit«, sagte Anicee, und ihr Bedauern klang aufrichtig. »Benat und ein paar von uns wollten noch Pasinen falten.«
Der junge Mann an ihrer Seite lachte leise. »Du wolltest, dass wir es wollen«, berichtigte er sie mit unverhüllter Zuneigung.
Routh musterte ihn. Der junge Mann sah sympathisch aus. Das Gesicht wirkte auf angenehme Weise verschlossen, in sich gekehrt, aber Routh zählte ihn zu denen, die, wenn sie sich für eine Sache begeistern konnten, das rückhaltlos taten und unter Einsatz aller Mittel.
Benat – ohne Zweifel Benat Achiary – trug sein schwarzes, krauses Haar kurz geschnitten; seine Haut war ungewöhnlich dunkel. Das schmale Gesicht wurde ganz von den schwarzen, forschenden Augen beherrscht.
Zwei Mädchen, die zunächst einige Schritte mit der Gruppe weitergegangen waren, hielten nun auch an und schauten zurück. Sie waren unterschiedlich alt – vielleicht achtzehn die eine, höchstens zwölf die andere –, ihre Gesichter ähnelten einander aber wie zwei Holografien desselben Vorbildes.
»Pasinen falten? Aber das ist ja mein liebstes Hobby!«, rief Routh und klatschte betont übermütig in die Hände. Anicee durchschaute diese Komödie mühelos und setzte ein schiefes Grinsen auf.
Sie schaute an Routh vorbei die beiden wartenden Mädchen an. »Kathiko? Sternigel? Was dagegen, wenn er mitkommt?«
»Wer ist er?«, fragte das ältere der beiden Mädchen. Sie legte beiläufig die Hand auf den Schopf ihrer jüngeren Schwester, deren Haar zu aufrecht stehenden, eisweißen Strähnen frisiert war – Sternigel.
»Ich kenne ihn aus Terrania«, sagte Anicee und zwinkerte Kathiko verschwörerisch zu.
Diese nickte zögernd. »Gehen wir Pasinen falten.«
*
Es war ein großer Platz, umstanden von Pflanzen, die wie Zwergpalmen mit trichterförmigen Kronen aussahen. Routh strich über die dicht behaarten, großen Blätter, die sich pelzig anfühlten.
Der Platz war zweigeteilt. Auf der einen Seite, die einige Handbreit unter dem Niveau der anderen lag, standen fünf Sayporaner. Das Gegenüber war unbesetzt. Auf beiden Seiten des Platzes lag ein flacher, kaum knöchelhoher Stapel dünner, quadratischer Metallfolien von über zehn Metern Kantenlänge.
Einer der Sayporaner winkte den Menschen zu. »Da seid ihr ja endlich, Kathiko! Was habt ihr gelernt? Chensit?«
Chensit – das musste Sternigels wahrer Name sein. Das Mädchen sagte: »Wir haben heute viel Saypadhi gesprochen.«
Und sie plapperte rasch einige Sätze in der fremden Sprache.
Der Sayporaner klatschte Beifall – einhändig, indem er die Arme zu beiden Seiten ausstreckte und mit den vier Fingern in die Handfläche schlug. Es klang leise, ein wenig hohl.
»Wer ist das?«, fragte Routh leise.
»Das ist Vyaneith, unsere Schwester.«
Routh starrte sie entgeistert an.
»Weil sie die Tochter unserer Ziehmutter Vyeretseger ist. Die Ziehmutter wartet auf uns im Haus Teb Bhanna. Sie verlässt das Daakmoy nicht gern.«
Routh schluckte. »Wie ist es in deinem
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