PR2633-Der tellurische Krieg
Tür in den Regenerationsraum.
Farro schaute ihnen hinterher. Sie waren wie die Spinnen seiner neuen Erinnerungssequenz, nur sehr viel kleiner. Schwarz, achtbeinig, unglaublich flink. Er musste schon Glück haben, dass er überhaupt einige von ihnen zu Gesicht bekam.
An der Tür blieb er stehen und lauschte. Aus dem abgedunkelten Raum erklang ein feines Schaben, wie es ihm von Tai Ch'charas Rückenschuppen immer wieder entgegenklang. Nur wurde es von dem anhaltenden Gewittergrollen fast völlig überlagert.
Während Tais Regenerationsphase war ihr Körperduft besonders intensiv. Allerdings regte er dann nicht an, sondern machte unglaublich müde.
Bentelly Farro fiel beinahe auf die Antigravliege in seinem Schlafzimmer. Er fühlte sich wohl; das war das Letzte, was er bewusst wahrnahm.
*
Er hörte Geräusche. Eine Stimme forderte ihn auf, das Gespräch anzunehmen. Doch das alles erschien ihm zu weit weg, beinahe schon in einer anderen Welt, es interessierte ihn nicht.
Er schreckte auf, als zwei kräftige Hände über seine Schläfen strichen.
Als er die Augen aufschlug, saß Tai Ch'chara neben ihm. Sie lächelte, und ihm war, als gerate sein Blut in Wallung.
»Du hast tief geschlafen, Bent.«
»Wie spät ...?«
Tai Ch'charas gespaltene Zunge kam kurz zwischen den Lippen hervor. Sie rümpfte die Nase, das Synonym eines menschlichen Lächelns.
»Zwei Uhr fünfundvierzig.«
»Erst?« Er setzte sich auf. Stellte fest, dass er in voller Montur eingeschlafen war. Tais Regenerationsphase hatte trotzdem auch für ihn etwas Belebendes. Seit Monaten stellte er fest, dass er immer dann mit wenig Schlaf auskam.
»Jemand will mit dir reden«, sagte seine Gefährtin.
»Mitten in der Nacht? Wer ist der Verrückte?«
»Er wollte seinen Namen nicht nennen.«
»Jemand vom Maschinenpark?«
Tai Ch'chara beugte sich nach vorn. Das Schuppendreieck, das sich von ihrer Schädeldecke spitz zur Nasenwurzel zog, berührte seine Stirn. Bentelly genoss die Berührung.
»Ich glaube, es ist wichtig«, sagte Tai. »Der Mann wirkt aufgeregt.«
»Und außerdem?«
»Er versucht, seine Unsicherheit zu kaschieren. Tief im Unbewussten fürchtet er sich; es ist die Furcht, die viele Menschen spüren, seit die Sonne erloschen ist.«
»Ich auch«, gestand Bentelly Farro. »Es gibt wohl niemanden, der davon unberührt bleibt.«
Keine Minute später stand er im Wohnraum einer lebensgroßen Holoprojektion gegenüber. Er kannte den Anrufer nicht, der ihn abschätzend musterte.
»Ich glaube nicht, dass wir uns schon begegnet sind.«
Der andere nickte knapp. »Du bist Bentelly Farro, Lithosphärentechniker und Direktor des Seismischen Maschinenparks Mittelamerika?«
»Du rufst mich privat an, mitten in der Nacht, demnach bist du bestens informiert. Auf rein rhetorische Fragen antworte ich in so einem Fall grundsätzlich nicht. Also: Wer bist du und was willst du?«
»Mortimer Muller, Sekretär im Verteidigungsministerium.«
Farro zog eine Braue hoch. »Terrania?«
Muller nickte knapp.
»Bei euch ist später Nachmittag, hier ist Mitternacht vorüber!«, schimpfte Bentelly Farro.
»Darauf kann ich keine Rücksicht nehmen. Die Angreifer haben ebenso wenig nach solchen Banalitäten gefragt.«
»Schon wieder ein Angriff wegen Sol? Oder ging es diesmal gegen die Kunstsonnen? Soll die Erde im ewigen Eis erstarren? Natürlich könnten wir versuchen, Magmaströme aus der Tiefe des Planeten umzuleiten. Vor unüberlegten Schritten warne ich ...«
»Terra wurde angegriffen!«, unterbrach Muller. »Sag bloß, du weißt nichts davon? Die Blendwerfer und Höllenkreischer waren auch über Mexiko aktiv. Ein Gefühl, als wäre die Hölle ausgebrochen.«
»Wann?«
»Vor knapp eineinhalb Stunden ...«
»Mein Haus ist besonders abgesichert«, erklärte Farro. »Ich hatte lediglich den Eindruck eines Gewitters.«
Der Sekretär winkte ab.
»Eine Armada fremder Raumschiffe ist ins Sonnensystem eingedrungen, wir nennen sie ihres Aussehens wegen Ovoidraumer oder Sternengaleonen. Der Flotte gelang es, sie schnell zurückzuschlagen und die akute Bedrohung abzuwenden. Allerdings sind drei der Angreifer in einer Höhe von rund dreihundert Kilometern explodiert. Einschlag der Trümmer an der Küste von Yucatán, über dem Golf von Papua und über dem Chöwsgöl Nuur.«
»Ich verstehe nach wie vor nicht, was ich damit zu tun haben soll«, sagte Farro.
Muller schaute ihn durchdringend an. »Die Bergungsarbeiten laufen bereits auf Hochtouren. Es geht
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