PR2633-Der tellurische Krieg
aufgewühlten Gedanken erst einmal zu beruhigen. Der Lärm und das grelle Licht hatten ihn aus ohnehin unruhigem Schlaf aufgeschreckt. DaySchas bizarre Erzählungen schienen jäh Realität geworden zu sein.
Das kann kein Lebewesen sein. Viel zu gigantisch ...
Ein splitterndes Geräusch fraß sich in seine Überlegungen. Er sah einige halb entwurzelte Bäume vollends stürzen. Ihr dumpfer Aufprall vermischte sich mit einem unheimlichen Laut. Ein Wimmern? Stöhnen?
Geronimo Abb riss die Faust hoch, öffnete die Finger. Gleißend stach die Helligkeit der Photonencracker durch den Regen. Ganz in der Nähe, mit schwerfälligem Flügelschlag, stiegen mehrere dunkle Schemen auf. Königsgeier, die Beute gewittert hatten?
Das Kunstlicht machte die Spur der Verwüstung sichtbar. Wenige Bäume waren im Wipfelbereich abrasiert worden. Was da abgestürzt war, schien beinahe wie ein Stein gefallen zu sein, nur im unmittelbaren Aufschlagbereich hatte es Bäume und Unterholz zur Seite gedrückt.
»Ein Nest!«
DaySchas Ausruf ließ Geronimo zustimmend nicken. Nest war ein treffender Vergleich. Der Riese hatte sich, halb nach vorn gekrümmt, eine Ruhestätte geschaffen.
Ein Grab?
Geronimos Neugierde verdrängte seine Furcht. Das Licht zeigte ihm zerfetzte Maschinenteile. Seltsam transparente Fragmente lagen weit verstreut und hingen sogar in den Bäumen; sie verrieten sich nur durch ihr metallisches Glitzern.
Wenige Meter vor ihm hatte sich ein ausgezacktes Bruchstück in den Boden gebohrt. Es steckte fast senkrecht drin, von Rissen und Sprüngen durchzogen, und seine leichte Wölbung war deutlich zu erkennen.
Metall?
Glas?
Keine Ahnung. Auf Geronimo wirkte es ohnehin eher wie der Splitter einer gigantischen Eierschale.
Unwichtig, entschied er. Für ihn zählte allein die gewaltige Gestalt im Zentrum der Verwüstung. Woher war der Riese gekommen? Gehörte er zu den Angreifern oder brauchte er einfach nur Hilfe?
Geronimo merkte, dass er gerade davor zurückschreckte. Was konnte er schon ausrichten? Nicht einmal drei Monate lag sein fünfzehnter Geburtstag zurück. Was seit Kurzem auf Terra geschah, hatte ohnehin eher die Anmutung einer virtuellen Holoexistenz. Realität wirkte anders. Und selbst wenn: Die einzige außerirdische Intelligenz, zu der Geronimo bislang näheren Kontakt gehabt hatte, war DayScha. Vor einigen Jahren waren zwar Topsider und später sogar eine Gruppe von Blues auf der Hazienda erschienen und hatten mit seinen Eltern über Antiquitäten verhandelt, doch er hatte sie nur auf den Monitoren der Hausüberwachung gesehen.
Aus gut achtzig Metern Entfernung musterte Geronimo Abb den Riesen. Bedeckt von abgerissenen Ästen und Schlingpflanzen lag der Koloss zwischen zersplittertem Turbobambus und entwurzelten Bäumen. Die Wucht des Aufpralls hatte den Boden aufgewühlt.
Wieder erklang dieses dumpfe Stöhnen. Zwei der vier Arme – Geronimo fehlte ein richtiger Vergleich für ihre Größe – wischten fahrig über den Leib.
DayScha stand plötzlich neben ihm. »Er ist nicht vollständig ... Er wächst aus dieser Maschine hervor.« Was sie sagte, machte ihn erst aufmerksam. Der Riese hatte keinen Unterleib, ab der Hüfte steckte er in einem gewaltigen Aggregatblock.
»Was ist das?«, fragte Geronimo.
»Keine Ahnung«, antwortete DayScha.
»Das ist dein Regenriese.«
»Nein. Vielleicht ... Ich weiß nicht ... Aber er ist verletzt.«
»Das sehe ich auch.«
»Wir können ihn nicht einfach so liegen lassen.«
Ruckartig fuhr Geronimo Abb herum. Er starrte die Cheborparnerin an. »Natürlich können wir ihn nicht liegen lassen«, sagte er spöttisch. »Fass mit an, wir tragen ihn ins Zelt!«
»Terranischer Besserwisser!«, rief DayScha.
Geronimo ging weiter. Er dachte nicht daran, der Cheborparnerin die Initiative zu überlassen.
*
Stille herrschte. Für Nachtaugs Beisohn war sie wie die schmeichelnde Ruhe zwischen den Sternen. Ihm fehlten schon jetzt das lautlose Dahingleiten an der Spitze des Utrofarischen Ovoids, der Geschmack des endlosen Nichts und der brodelnde Sonnenduft.
Aus geringer Höhe fiel etwas auf seinen Leib. Halb in Trance, versuchte er, es mit einer hastigen Bewegung wegzuwischen, doch ein stechender Schmerz jagte bis zu seiner Schulter hoch.
Nachtaugs Beisohn schrie ...
... zugleich wurde ihm bewusst, dass sein Schrei nicht mehr war als ein kaum hörbares Gurgeln.
Der Tod kam auf Raten. Erst war das Schiff nach den gegnerischen Treffern auseinandergebrochen, nun tobte
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