Prag
Auftraggeber aus dem Ausland kommen. Als ihm
2008 aus Anlass der EU-Ratspräsidentschaftsübernahme einmal die tschechische
Regierung einen Auftrag erteilte, führte er diese gleich hinters Licht: Unter
seiner Regie sollten Künstler aus allen EU-Staaten für das Ratsgebäude in
Brüssel ein Kunstwerk schaffen. Tatsächlich aber schuf Černý seine
Installation Entropa mit zwei Freunden im „Alleingang“, Namen und
Viten der anderen 27 „europäischen Künstler“ waren frei erfunden. Die
Installation zeigte die EU-Mitgliedstaaten klischeehaft in einer Art Bausatz:
Bulgarien als „Hockklo“, Polen als Land der homosexuellen Priester,
Deutschland als hakenkreuzähnliches Labyrinth aus Autobahnen usw. Der
Kunsthistoriker Tomaš Pospiszel, der bei Černýs Streich mit von der Partie
war, verteidigte die Arbeit mit den Worten: „Täuschungen und Irreführungen
sind Teil der tschechischen kulturellen Identität und unseres Erbes.“
Die Národní
třída ( Nationalstraße) ist
wieder für den Autoverkehr freigegeben. Es geht vorbei an der innovativen Václav-Špála-Galerie
( Galerie
Václava Špály) in Hausnummer 30, die zu den populärsten
Ausstellungsräumen junger tschechischer Künstler gehört und immer für eine
Überraschung gut ist (tägl. 11-19 Uhr, Eintritt variabel). Das
Einkaufszentrum my národní (bekannter unter dem Namen TESCO, dem
Supermarkt im Untergeschoss) ein paar Schritte weiter wurde als „bedeutendes
Dokument der tschechischen Architektur der 1970er“ 2007 zum Kulturdenkmal
erhoben. Zum Entsetzen vieler waren damit alle Forderungen nach einem Abriss
des Baus vom Tisch und die jüngst vollendete Restaurierung zwingend. Nebenan
soll das neue Copa Center entstehen, ein modernes Multifunktionsobjekt
mit Büros, Wohnungen und Einkaufspassagen. Offiziell sollen die Arbeiten daran
bis 2012 abgeschlossen sein – inoffiziell munkelt man über einen erheblich
späteren Zeitpunkt. Während der Bauzeit soll auch die hiesige Metrostation
Národní třída von Grund auf restauriert werden, was eine
Langzeitschließung mit sich bringen wird.
An der Národní třída befinden sich zwei der bekanntesten und
traditionsreichsten Kaffeehäuser Prags: gleich zu Beginn das Louvre (unauffälliger Eingang, Hausnummer 20) und am Ende der Straße
das Slavia – beide lohnenswerte Adressen für eine
Kaffee-und-Palatschinken-Pause. Im Slavia kann man sich dazu noch ein
Schnäpschen gönnen: Nirgendwo besser als unter Viktor Olivas Bild Der
Absinthtrinker aus dem Jahr 1905 lässt sich der grüne Likör
probieren.
Von grünen Feen und grünen Schnäpsen
Picasso soll mit dem giftgrünen, gallenbitteren Likör seine blaue Periode
durchlebt haben, Van Gogh schnitt sich im Absinthrausch ein Ohr ab. I n den
letzten Jahren feierteAbsinth eine kleine
Renaissance, aber außer dem Namen und seiner Hochprozentigkeit hat der
Modedrink mit „richtigem“ Absinth wenig gemein. Letzterer nämlich enthält
den aus Wermutblättern gewonnenen, namengebenden Bitterstoff Absinthin und
dazu Thujon, ein Nervengift, das psychedelisch wirkt und in hohen Dosen zu
psychischen Schäden führen kann. Wenn man zu viel des giftgrünen Stoffes
trinkt, so heißt es, sieht man eine Fee gleicher Farbe. Nicht zuletzt aus
diesem Grund war Absinth lange Zeit in vielen Ländern der Welt verboten. Was
heute auf den Markt kommt, ist eine Art „Absinth Light“ mit maximal einem
Fünftel der Thujonmenge aus der Zeit Picassos. Dennoch heißt es aufgepasst:
Schon ein Gläschen kann die Sightseeing-Tour in ein anderes Licht rücken! Wer
stilecht probieren möchte, entzündet einen Löffel mit absinthgetränktem
Zucker und kippt die karamellisierte Flüssigkeit zurück ins Glas. Übrigens:
Manche Prager Wirte bauen unangenehmen Situationen mittlerweile vor und
schenken nur noch maximal zwei Gläser an experimentierfreudige Gäste aus.
Auch zwischen den Kaffeehäusern gibt es etwas zu entdecken: An einer
Hauswand linker Hand fahren Bagger und Panzer – Symbole für die Verbrechen
an Natur und Menschlichkeit – in einer Endlosschleife. Die Schleife hat die
Form einer Acht – seit den Ereignissen von 1918, 1938, 1948 und 1968 die
magische Zahl der Tschechen. Ein paar Schritte weiter Richtung Moldau passiert
man die barocke Sankt-Ursula-Kirche
( Kostel sv.
Voršily) aus der Wende vom 17. zum 18. Jh. Sie entstand als Teil einer
Klosteranlage und ist im Inneren mit prächtigen Fresken geschmückt
(Nebeneingang nehmen).
Sommerstimmung auf der Moldauinsel
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