Pretty - Erkenne dein Gesicht
hinweggeflogen.
"Ein Hubwagen ...", flüsterte Tally.
"Kam vermutlich nur zufällig hier vorbei. Die glauben doch, dass wir im Vergnügungspark sind."
"Falls uns nicht jemand auf dem ..." Sie verstummte, als eine Staubwolke durch die halb offene Tür gewirbelt wurde und im Sonnenstrahl aufglühte. "Die landen."
"Dann wissen sie, dass wir hier sind", sagte Zane und fing an, den Brief zu zerreißen.
"Was machst du denn da?"
"Das hier dürfen sie nicht finden", sagte er. "Sie dürfen nichts von dem Heilmittel erfahren." Er stopfte sich ein Stück Papier in den Mund und verzog angeekelt das Gesicht.
Sie schaute die Pillen in ihrer Hand an. "Und die hier?"
Er schluckte das Papier mit gequälter Miene hinunter. "Ich muss sie nehmen, jetzt." Er biss noch ein Stück Brief ab und kaute weiter.
"Die sind so klein", sagte sie. "Wir könnten sie verstecken."
Er schüttelte den Kopf und schluckte. "Ohne die Ringe erwischt zu werden, sagt schon genug, Tally. Die werden wissen wollen, was wir vorhatten. Wenn du etwas gegessen hast, wirst du nicht mehr so prickelnd sein - und dann kneifst du vielleicht und rückst die Pillen raus."
Sie hörten Schritte, die draußen über das Dach kamen. Zane zog die Tür zu, riss die Enden der Ketten hinein, ließ das Hängeschloss zuschnappen und hüllte sie in Dunkelheit. "Das wird sie nicht lange aufhalten. Gib mir die Pillen. Wenn sie funktionieren, dann verspreche ich, dass ich dafür sorgen werde, dass du ..."
Draußen rief eine Stimme und ein kalter Schauer kroch Tallys Rückgrat hoch. Die Stimme hatte eine scharfe Kante und schnitt wie eine Rasierklinge in ihre Ohren. Das da draußen waren keine normalen Wächter. Das waren Specials.
In der düsteren Bude starrten die Pillen zu ihr hoch wie zwei seelenlose weiße Augen. Tally war sich auf irgendeine Weise sicher, dass die Worte im Brief ihre eigenen waren, diese dringende Bitte, die Pillen zu nehmen. Und wenn sie es tat, würde vielleicht alles immer klar und prickelnd sein, so wie Zane gesagt hatte.
Oder vielleicht würden sie nicht wirken und von Tally dann nichts als eine leere, gehirntote Hülse zurücklassen.
Oder vielleicht war David ja tot. Tally fragte sich, ob sich von nun an ein Teil von ihr immer an sein Gesicht erinnern würde, egal was sie machte. Und wenn sie die Pillen nicht nahm, würde sie niemals die Wahrheit erfahren.
Tally hob die Pillen zu ihrem Mund, merkte aber, dass sie sie nicht nehmen konnte. Sie stellte sich vor, wie ihr Gehirn sich auflöste. Dass es ausgelöscht wurde wie die andere Tally, die den Brief geschrieben hatte. Sie schaute in Zanes wunderschöne, bittende Augen. Er kannte jedenfalls keinen Zweifel.
Vielleicht brauchte sie das hier nicht allein zu machen ...
Die Tür kreischte auf, als jemand daran riss, und die Kette spannte sich an. Dann traf ein Schlag die Tür, es hörte sich in der engen Metallbude an wie Feuerwerk. Die Specials waren stark, aber würden sie eine Metalltür einschlagen können?
"Jetzt, Tally", flüsterte Zane.
"Ich kann nicht."
"Dann gib sie mir."
Sie schüttelte den Kopf und beugte sich dichter an ihn heran, sie flüsterte, um nicht durch die hämmernden Schläge draußen gehört zu werden. "Ich kann dir das nicht antun, Zane, und ich kann es nicht allein machen. Vielleicht, wenn wir beide eine nehmen ..."
"Was? Das ist Irrsinn. Wir wissen doch nicht, was ..."
"Wir wissen gar nichts, Zane."
Das Hämmern verstummte und Tally brachte Zane zum Schweigen. Die Specials waren nicht nur stark und schnell, sie hatten auch ein Gehör wie die Luchse.
Plötzlich fuhr ein grelles Licht durch den Spalt in der Tür und warf wild tanzende Schatten in die Dunkelheit, die Tallys Blick verzerrten. Das Schneidewerkzeug zischte, als es sich in die Kette einbrannte, und der Gestank von geschmolzenem Metall traf ihre Nasenlöcher. Gleich würden die Specials vor ihnen stehen.
"Zusammen", flüsterte sie und reichte Zane eine Pille. Sie holte tief Atem, dann legte sie sich die andere auf die Zunge. Bitterkeit explodierte in ihrem Mund, es war wie in einer Traube auf einen Kern zu beißen. Sie schluckte die Pille hinunter und dabei zog sich eine beißende Geschmacksspur durch ihre Kehle.
"Bitte", sagte sie leise. "Mach das mit mir zusammen."
Er seufzte, nahm die Pille und verzog bei dem Geschmack das Gesicht. Er starrte sie an und schüttelte den Kopf. "Das war vielleicht eine schreckliche Dummheit, Tally."
Sie versuchte zu lächeln. "Wenigstens waren wir dann zusammen
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