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Price, Richard

Price, Richard

Titel: Price, Richard Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clockers
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unterbrach sich selbst, legte die Arme eng um die Brust und starrte die
Wand an.
    Rocco
seufzte: Scheiße. Er hatte gehofft, dass es mit dem hier ein Spaziergang würde.
    »Schau, Victor,
ich will dir mal was erklären ...«
    Victor sah
immer noch weg und seufzte tief, als wüsste er schon im Voraus, dass Rocco ihm
das nicht abkaufen würde.
    »Du musst
begreifen, wir haben hart an diesem Fall gearbeitet. Es gibt Augenzeugen«,
Rocco dachte an Carmela Wilson, die bis zum Scheitel mit Gin abgefüllt war,
»und ich weiß, du denkst, nur weil du mir erzählst, du hättest es
getan, sei das schon alles - du weißt schon, du kommst vor Gericht, und damit
hat sich's.«
    Victor
blickte mit offenem Mund finster die Deckenplatten an.
    »Schau
mal, du erzählst mir etwas, von dem ich weiß, dass es nicht passiert sein kann,
das bedeutet, ich habe hier eine offenkundige Falschaussage. Ich kann nicht
einfach hier rumsitzen und das hinnehmen, und ehrlich gesagt, höre ich
Falschaussagen auch nicht besonders gern.«
    »Nein,
wirklich nicht<, dachte Rocco. Wenn der Bursche jetzt eine Geschichte
erzählte und eine andere vor Gericht, dann lief der Staatsanwalt
möglicherweise ins offene Messer, würde plattfüßig da im Gerichtssaal stehen
und rumrennen und eine uralte Geschichte widerlegen müssen, von der sein Büro
vorher keine Kenntnis hatte. Roccos Boss ging nur mit den Fällen vor Gericht,
bei denen er das Gefühl hatte, dass es sich um absolut sichere Sachen handelte,
und die einzige Möglichkeit, die Rocco hatte, um sich hier zu schützen, war,
jetzt an die nackte Wahrheit zu gelangen.
    »Begreifst
du, was ich dir sage, Victor?«
    Victor
schüttelte den Kopf und lächelte, als sei Rocco derjenige, der es einfach nicht
begriff.
    »Was gibt's
denn so Lustiges?« Rocco lehnte sich zurück und reckte sein Kinn in der
Hoffnung, dass die offenkundige Pantomime des Jungen als eine Art Einladung
gemeint war.
    Victor
sagte etwas zu seiner Brust, was Rocco nicht ganz verstand.
    »Wie
bitte?« Rocco glitt auf seinem Stuhl nach vorn.
    »Ich
sagte: >nichts<.« Victor warf Rocco einen Blick zu; Rocco, der diesen
Blickkontakt aufrechterhalten wollte, beugte sich noch weiter vor, doch Victor
sah wieder zu Boden.
    »Alles,
was ich will, Victor, ist, dass du mir erklärst, was einen Mann, der regelmäßig
achtzig Stunden die Woche arbeitet, um Frau und Kinder zu ernähren, dazu
bringen kann, jemand anderen zu erschießen ...«
    Rocco
hielt inne, reckte den Kopf vor, blinzelte nicht, und die Stille wurde durch
das entfernte Klingeln eines Telefons und durch den Fernseher am Ende des Gangs
unterbrochen. Victor schien tief in Gedanken versunken zu sein, seine dichten
Augenbrauen berührten sich beinahe, doch alle Gesten waren nach innen
gerichtet. Rocco hatte keine andere Chance, als weiterzureden.
    »Was
könnte eine Person tun, das so teuflisch wäre, dass ein Kerl wie du ihn
deswegen erschießt? Ich weiß, jemand wie du hat schon vorher in verzwickten
Situationen gesteckt, auf der Straße, bei der Arbeit, ohne deswegen gleich
jemanden umzubringen, und ich kann einfach nicht glauben, dass du über einen
Parkplatz läufst, nachdem du ein paar Biere gekippt hast, und irgendein Typ
kommt auf dich zugesprungen, und du ziehst eine Neunmillimeterkanone und
erschießt ihn?« Rocco ließ eine Sekunde verstreichen, damit das bei Victor ankam.
»Das kauf ich dir einfach nicht ab, Victor. Das ergibt doch überhaupt keinen
Sinn für mich.« Die exakten Worte des Pfarrers: Das war es, was er gemeint
hatte. »Ergibt das für dich einen Sinn?«
    Victor
blickte auf, wollte antworten, hielt sich aber zurück und verschloss sich
wieder.
    »Tut es
das?« Rocco, dem langsam der Frust hochkam, beharrte auf einer Antwort.
    »Das
ergibt für mich auch keinen Sinn«, murmelte Victor und klang wie ein
gemaßregeltes Kind. Mazilli räusperte sich im Flur. Rocco entspannte sich,
machte sich auf eine lange Sitzung gefasst, und ihm wurde klar, dass er diesem
Burschen alles Stück für Stück aus der Nase ziehen musste.
    »In
Ordnung, also ... Wo hast du die Drinks gehabt?«
    »Im
>Rudy's<.«
    »Wo ist
das?«
    »Auf der
DeGroot, gleich über die Straße.«
    »Wie lange
warst du da?«
    »Eine
Stunde.«
    »Von wann
bis wann?«
    »Halb neun
bis zehn.«
    »Das sind
anderthalb Stunden.«
    Victor
zuckte mit den Schultern, doch direkte Fragen schienen ihn ein wenig
aufzulockern. »Könnte auch länger gewesen sein, ich erinnere mich nicht so
genau.«
    »Später
als zehn?«,

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