Price, Richard
verheiratet?«
»Mmh-mmh.«
»Kinder?«
»Zwei.«
»Zwei...
gut.«
Rocco
schweifte ab, dachte: >Himmel, zwei Jobs, zwei Kinder, eine Frau, offenbart
sich seinem Reverend statt seinem Anwalt.< Und plötzlich ging ihm auf, was
der Reverend damit gemeint hatte, dass das doch alles keinen Sinn ergäbe. Die
Bemerkung war nicht auf die Verhaftungsprozedur gemünzt gewesen, sondern
darauf, wie unglaublich es überhaupt war, dass dieser Junge jemanden
umgebracht hatte. Aber der Junge hatte gestanden, also hatte er wahrscheinlich
wirklich Darryl Adams ermordet, und Rocco dachte über das Entsetzen des
Reverends nach, dachte, dass dieser Junge einen verdammt guten Grund haben
musste, den anderen umzulegen. Und dann fing Rocco an, über das Opfer
nachzudenken, als sei der der
Übeltäter: Was zum Teufel hatte Darryl Adams diesem armen Burschen angetan,
dass er derart aus der Bahn geworfen wurde? Er dachte: >Vielleicht hat der
Typ mit seiner Frau geschlafen, mit seiner Freundin<, doch dann fiel ihm das
Geld bei der Leiche ein und das vage Gerücht über Drogen. Seinen Kindern Stoff
verkauft?
»Victor,
wie alt sind deine Kinder?«
»Drei und
eins.«
Also was
anderes. Rocco fing an, sich seinen Angriffsplan für die vor ihm liegende
Befragung zurechtzulegen - das Opfer beschuldigen, nach der Wut forschen, den
Knackpunkt isolieren. Er war sich sicher, dass sie ohne allzu viel Mühe auf das
Motiv kommen würden; all seine Instinkte und seine Erfahrung sagten ihm, dass
Darryl Adams sich das selbst eingebrockt hatte.
»Bist du
sicher, du hast keinen Hunger?« Das Kinn auf die Brust gedrückt, starrte Rocco
den Jungen an, als sei dies die härteste Frage, die er hier drinnen stellen
würde.
Victor
kniff den Mund zusammen, schüttelte den Kopf, und sein Blick schweifte über die
kahlen Wände des Vernehmungsraums und ruhte auf der einzigen Ablenkung, einem
Kalender vom letzten Jahr, auf dem über dem Monat Oktober ein Bild von zwei
Katzen war, die mit einem Wollknäuel spielten.
Mazilli
hustete auf dem Flur, auf dem er außer Sichtweite stand und dem Gespräch
zuhörte, ein Zeuge als Bestätigung für den Fall, dass der Junge ein Geständnis
ablegte, dann aber einen Rückzieher machte, wenn es Zeit für die offizielle
Bandaufzeichnung war. Er war ebenfalls dort, um im Notfall vor Gericht zu
beeiden, dass er gehört habe, wie Rocco dem zu Befragenden seine Rechte
vorgelesen habe, inklusive des Rechts auf einen Rechtsbeistand, was Rocco in
diesem Stadium des Spiels immer so lange wie möglich hinauszögerte.
»Okay,
wann immer du eine Pause machen und 'ne Pizza oder 'nen Kaffee willst, kriegst
du sie, okay?«
Victor gab
keine Antwort, und sein Blick ruhte jetzt auf dem gelben Notizblock auf Roccos
Oberschenkel.
»Zuerst
werde ich dich langweilige Sachen fragen, du weißt schon, nur für die Akten,
also hab Geduld mit mir ...«
Rocco ging
die Hintergrundfragen durch, der Junge beantwortete sie alle mit einer
monotonen Stimme und sagte nie zwei Worte, wo eines ausreichte. Victor Dunham
stand zwei Monate vor seinem einundzwanzigsten Geburtstag, hatte sein ganzes
Leben in der Roosevelt-Siedlung verbracht, hatte denselben Job seit seinem
sechzehnten Lebensjahr, hatte die Mutter seiner Kinder nicht geheiratet, lebte
aber wie Mann und Frau mit ihr und den beiden Kindern, hatte eine
Sozialversicherungsnummer, ein Auto und ein Girokonto. Rocco schüttelte den
Kopf, während er all dies notierte. Er hatte keinen so aufrechten Schützen
gehabt, seit vor sechs Jahren ein Busfahrer einen Priester ermordet hatte, der
sich seinem Sohn in sexueller Absicht genähert hatte.
»Und deine
Telefonnummer, Victor?«
»Vier-zwei-eins-drei-drei-null-neun.«
Rocco kam
direkt zur Sache.
»Erzähl
mir, was passiert ist.«
Victor hob
seinen Knöchel bis zum anderen Knie an, beugte sich vor, fing an, Flusen von
seinen Socken zu zupfen, und runzelte angesichts dieser Aufgabe die Stirn, als
handle es sich um eine delikate und mühselige Arbeit. Rocco beobachtete ihn und
wusste, dass der Junge lügen würde, bevor er noch den Mund aufgemacht hatte.
»Ich hatte
ein paar Drinks, wissen Sie, in der Bar«, sagte er leise zu seinem Knöchel,
»und ich wollte nach Hause und nahm eine Abkürzung über den Parkplatz beim
>Ahab's<, und der Kerl«, Victor schloss nun die Augen ganz, sog die
Unterlippe in den Mund und holte tief Luft, »er, er sprang mich an, und ich hab
Angst gekriegt und auf ihn geschossen. Er, er sprang hervor, so als ob ...« Der
Junge
Weitere Kostenlose Bücher