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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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erwischt.
    »Hast du meinen Brief nicht bekommen?« fragte sie streng.
    »Doch«, sagte ich und wischte mir den Arm an der Latzhose trocken, so gut es ging.
    »Aber .?« fragte sie, bohrend.
    »Aber was?« fragte ich zurück. Zu sagen, ich verstand nicht ganz, wäre schlichtweg gelogen. Ich schnallte überhaupt nichts.
    »Aber du hast ihn nicht aufgemacht«, stellte sie fest. Nüchtern. »Kristof, warum seid ihr Männer in solchen Dingen nur solche Feiglinge?«
    »Im Vergleich wozu?« Mir schwoll der Kamm ein bißchen, was ein gutes Gefühl war. »Zu euch völlig unerschrockenen Frauen? Ja, das stimmt wohl.« Schwoll wieder ein bißchen ab, mein Kamm.
    »Gut, dann sag ich es dir eben am Telefon: Kristof, ich weiß, ich habe dich gekränkt, ich weiß, ich habe dir wehgetan, dich tief verletzt, und es tut mir leid. Ich weiß, du hast deinen Stolz, und was ich getan habe, ist im Grunde unentschuldbar, aber ich möchte, daß du mir verzeihst. Ich möchte, daß du mir wieder gut bist. Ich möchte, daß du nach Berlin kommst und mich holst. Ich möchte wieder mit dir Zusammensein. Du fehlst mir.«
    Ich zog mein höhnischstes Gesicht. Ich hob eine Braue ironisch in die Stirn, ich kniff ein Auge, na, skeptisch zusammen, ich grinste voller Häme. Der Faustkämpfer bringt's nicht im Bett, dachte ich, und da erinnern wir uns plötzlich wieder voller Zuneigung an den guten alten Kristof, der hatte doch immer ordentlich Tinte auf dem Füller. Am Arsch, Baby, dachte ich. Ich bin ein anderer, inzwischen, härter, in jedem Aspekt. Und wenn du noch so flennst, aber mit mir brauchst du nicht mehr zu rechnen. Deinen Platz haben andere eingenommen, bessere. Du hattest deine Chance, doch du hast drauf gesch »Kristof, kommst du?« fragte sie leise.
    »Bin unterwegs«, bölkte ich, knallte den Hörer auf die Gabel, krachte durch die Türe, donnerte auf meinen Gummistiefeln die Treppe hinunter und stürmte ins Freie. Da hielt ich dann inne, wie man so sagt. Kam zu mir, wie man so sagt. Ging in mich, wie man so sagt. Zog allerlei in Erwägung.
    1.: Die Adresse. Vergessen, zu fragen. Ich klatschte mir die Hand vor die Mirse. Aber - der Brief. Da stand sie bestimmt drauf oder drin. Also kehrt, Marsch. Doch Moment - 2.: Der Tank. Viel leerer ging's nicht. Dann wär gar nichts mehr drin gewesen. Der Unterschied war allerdings kaum meßbar. Ich klatschte mir die Hand vor die Mirse. Aber da war doch noch -
    3. : Meine Vollkommenheit. Ja, ich hatte ihn erreicht, diesen Grad. Leicht war's nicht gewesen, aber im nachhinein ist es das Ergebnis, das zählt. Und das Ergebnis war halt, ich war vollkommen. Vollkommen pleite. Ich ballte die Faust. Irgend -
    4. : Irgend jemand. Irgend jemand würde zahlen müssen. Mich bezahlen. Und zwar .
    5.: Veronika. Veronika würde mir ein paar Blaue bezahlen, und wenn ich sie dafür packen, auf den Kopf stellen und schütteln und ihre Handtasche auf links ziehen mußte.
    Ich stapfte hoch, rief ihr Büro an, ließ mich von Loftheide darüber benäseln, daß Frau van Laar mit hoher Wahrscheinlichkeit daheim weilte, griff mir den Brief, stapfte wieder runter, schmiß den Motor an und stapfte aufs Gas.
    Veronika wohnte seit knapp einem Jahr oben auf dem Auberg. Nun, es ist kein richtiger Berg, mehr ein Hügel, gerade hoch genug, daß man oben und unten unterscheiden kann, und Veronika wohnte, wie erwähnt, oben, am Ende einer in serpentinischen Schwüngen angelegten Anliegerstraße. Ich hätte eine Gerade draus gemacht, wenn der verdammte Wald nicht im Wege gewesen wäre.
    Ich klingelte Alarm.
    Keine Reaktion.
    Ich klopfte mit der Faust.
    Keine Reaktion.
    Ich brüllte ein bißchen.
    Keine Reaktion.
    Ich drehte mich um und gab der Türe ein paar mit der Hacke, die einen Muli neidisch gemacht hätten.
    Als die Alarmanlage losging und auch darauf keine Reaktion erfolgte, begann ich, mich mit dem Gedanken vertraut zu machen, daß Frau van Laar möglicherweise doch nicht daheim weilte.
    Was tun? Warten? Nicht mein Ding.
    Um Sprit zu sparen, ließ ich die Carina die Straße hinunterrollen. Mein Denken drehte sich in schamloser Offenheit einzig und allein um Geld.
    Geld, dachte ich. Geld, Geld, Geld, Geld, Geld, Geld, Geld, Geld, Geld, Geld, Geld - Fast hätte ich ihn übersehen, den Mann, der am unteren Ende einer abschüssigen Wiese stand. Fast hätte ich ihn übersehen, im Vorbeirollen. Dabei kannte ich ihn. Und den Hund, den er dabei hatte, den kannte ich auch. Geräuschlos brachte ich den Wagen zum Stehen. Öffnete leise

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