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Prickel

Prickel

Titel: Prickel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jörg Juretzka
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dann aus Kryszinski, wenn man jung ist und unbedacht und sich deshalb nicht vom ersten Augenblick an mit Händen und Füßen dagegen wehrt, >Krüschel<.
    Und aus Blandette, Blan-Det-te. Es war so offensichtlich, plötzlich.
    Ich nahm das Foto heraus und glättete es auf der Schreibtischplatte.
    Sein Vater hatte ihn rüde nach hinten geklappt, damals, als er es rahmte. Aber nicht abgeschnitten. Jetzt, Seite an Seite, sah man es deutlich, selbst in Schwarzweiß, selbst auf die Entfernung, aus der die Aufnahme gemacht worden war: Sie hatten die gleichen Augen.
    Prickel tauchte an meiner Schulter auf (alle Welt nennt ihn so, Patsy nennt ihn so, also was soll's? Hätte er halt besser aufpassen sollen, vor Jahren), wie ich so stand und sinnend schaute, deutete mit einem äußerst quaddeligen Finger auf das Foto und sagte, erstaunlich gefaßt: »Das ist er. Das ist Det.« Ich nickte. Was jetzt? dachte ich.
    Patsy erschien in der Badezimmertüre, mit einem Turban um den Kopf und einem Badetuch um die restliche Figur. Sie griente auf eine außerordentlich zufriedene, ungemein satte Art.
    »Mann, hab ich vielleicht einen Hunger«, sagte sie und »Hallo, Kristof«, mit einem netten Lächeln. »Geile Hose.« Damit verschwand sie in der Küche, unsere gedankenschweren Mienen einfach übersehend. Prickel blickte ihr träumerisch hinterher, seufzte kohlenschachttief und wandte dann den Kopf zu mir. Seine Augen waren die von Donald Duck, wenn Daisy in der Nähe ist. Ich schwöre, seine Pupillen waren herzförmig.
    Alles, was man in Ruhr-City so an kriminellen Geisteskranken von der Straße wegfängt, wandert ins Christopherus-Asylum nach Ratingen. Zur Begutachtung und - je nach Gutachten halt - zeitweisen bis endgültigen Unterbringung. Alles.
    Man stelle sich nun vor, der Direktor dieser Anstalt arbeitet mit einem Mörder zusammen, der es versteht, keinerlei Spuren zu hinterlassen, dafür aber jedesmal einen Verdächtigen, der zumindest den Anschein von Geistesgestörtheit macht. Ehe das arme Arschloch auch nur ups sagen kann, sitzt es auch schon in Ratingen, unter der freundlichen Obhut vom Herrn Direktor persönlich. Ein Horror.
    Ich brauchte Musik. Ich kramte überall im Wagen herum, während mein linkes Knie lenkte, mein rechter Fuß beschleunigte und die Scheinwerfer den Überblick behielten. Der Tagesanbruch nahte grau unter einem schweren Himmel und meine Augen waren rot unter kratzigen Lidern. Scuzzi hatte mir ein bißchen Glitzerpulver und eine Handvoll kleiner, weißer Pillen mitgegeben, doch wenn ich weiß, daß wirkliche, wirklich biestige Entscheidungen auf mich warten, habe ich den Kopf lieber frei von stimulierenden Substanzen. Gleichzeitig war ich groggy. Und eben darum brauchte ich aufbauende Töne.
    Wir hatten noch stundenlang gelabert. Alles Dope der Welt machte aus Prickel keinen flotten Redner. Und auch keinen rasanten Denker. Es machte ihn zu einem freundlichen, ruhigen Jungen, der sehr bemüht war, sich zu erinnern, gleichzeitig aber auch ganz gerne so manches vergessen wollte und schließlich noch davon abgelenkt wurde, daß er in einem fort ans Ficken dachte.
    Ah, da waren sie ja. Jackyl. Jackyl aus Atlanta, Georgia. Ich drückte sie in den Schlitz. Ich preßte den Knopf.
    Ich schob den Regler. Bis es ihn bog. Die Jungs stimmten an und augenblicklich füllte sich das Wageninnere mit Wohlklang und meine Seele mit Trost und Zuversicht. Jesse Duprees Stimme hat diese Wirkung auf mich. Vor allem, natürlich, wenn er sie im Duett verschmelzen läßt mit den berückenden Tönen, die er seiner Kettensäge zu entlocken vermag. Macht mir eine Gänsehaut, das. Jedem, wahrscheinlich.
    Mein Weg führte mich nach Kaiserswerth, einem südlichen Vorort von Düsseldorf, recht hübsch auf eine fast schon ländliche Art und direkt am Rhein gelegen.
    Wir hatten die Auskunft so richtig schön bei Atem gehalten und nur herausgefunden, daß ein Jean-Baptiste Blandette in näherer und weiterer Umgebung keinen Telefonanschluß unterhielt. Wir hätten Heckenpennes auf die Melderegister losgelassen, aber der weilte, wie es schien, noch in Seattle. Der einzige bei der Telekom Nordrhein registrierte Blandette überhaupt war ein Victor, Prof. Dr. Dr. in Kaiserswerth.
    Und er war auch der einzige, der mir Det und seine Drahtschlinge auf den Hals gehetzt haben konnte. Es kam niemand anders in Frage.
    Die Adresse war eine von denen, für die man keinen Stadtplan und auch keine verwirrende Wegbeschreibung heftig gestikulierender Passanten

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