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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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einem Wutanfalle französischer Logik seine Fäuste. »Ein Mensch kommt aus einem Garten oder er kommt einfach nicht heraus,« schrie er.
    »Nicht immer,« gab Brown zur Antwort.
    Dr. Simon sprang ungeduldig auf seine Füße.
    »Ich habe keine Zeit für solch sinnloses Geschwätz übrig,« bemerkte er ärgerlich. »Wenn Sie nicht einsehen, daß ein Mensch entweder auf der einen Seite einer Mauer oder auf der anderen ist, will ich Sie nicht weiter belästigen, Father.«
    »Doktor,« bat der Geistliche sehr freundlich, »wir sind immer sehr gut mitsammen gestanden. Und wenn auch nur um alter Freundschaft willen, warten Sie noch und stellen Sie Ihre fünfte Frage.«
    Der ungeduldige Simon sank in einen Stuhl und sagte kurz:
    »Das Haupt und die Schultern waren in sonderbarer Weise abgeschnitten. Es schien nach eingetretenem Tode geschehen zu sein.«
    »Ja,« sagte der Priester regungslos, »es wurde so gemacht, um Sie genau das eine Falsche vermuten zu lassen, das Sie vermuteten. Es geschah, um Sie als selbstverständlich annehmen zu lassen, daß der Kopf zu dem Körper gehörte.«
    Das Grenzgebiet des Verstandes, auf dem alles Ungeheuerliche entsteht, war in dem Kelten O'Brien in schreckliche Bewegung geraten. Er fühlte die chaotische Gegenwart all der Ritter und Meerweiber, welche der Menschen unnatürliche Einbildungskraft hervorgebracht hat. Eine Stimme, älter als seine Vorväter, schien ihm ins Ohr zu raunen: Halte dich ferne dem ungeheuerlichen Garten, wo der Baum wächst mit der doppelten Frucht. Meide den bösen Garten, wo der Mann starb mit den zwei Köpfen! Und doch, während diese eklen symbolischen Gestalten an dem alten Spiegel seiner irischen Seele vorüberzogen, war sein französierter Verstand ganz frisch und so aufmerksam und ungläubig auf den sonderbaren Priester gerichtet, wie bei all den anderen.
    Father Brown hatte sich endlich umgewendet und stand im dichten Schatten gegen das Fenster gerichtet, doch selbst in diesem Schatten konnte man sehen, daß er grau wie Asche war. Nichtsdestoweniger sprach er ganz vernünftig, als gäbe es auf der ganzen Welt keine Keltenseele.
    »Meine Herren,« sagte er, »Sie fanden nicht den fremden Körper Beckers im Garten. Sie fanden überhaupt keinen fremden Körper im Garten. Trotz Dr. Simons Appell an die Vernunft behaupte ich immer noch, dass Becker nur teilweise zugegen war. Sehen Sie her! (Er wies auf den schwarzen Rumpf der geheimnisvollen Leiche.) Sie sahen nie in Ihrem Leben diesen Mann. Sahen Sie vielleicht diesen?«
    Er schob rasch den großen gelben Kopf des Unbekannten zur Seite und brachte an dessen Stelle den weißbehaarten Kopf daneben. Und da, vollständig und eins lag unverkennbar Julius K. Brayne.
    »Der Mörder,« fuhr Brown ruhig weiter, »hieb den Kopf seines Feindes ab und schleuderte das Schwert weit über die Mauer. Aber er war zu gerieben, um nur das Schwert fortzuwerfen. Er warf auch den Kopf über die Mauer. Dann brauchte er nur einen anderen Kopf auf den Körper setzen, und (da er auf seiner Privatuntersuchung bestand) Sie alle hielten das für einen gänzlich neuen Mann.«
    »Einen anderen Kopf aufsetzen!« meinte O'Brien betroffen. »Welchen anderen Kopf? Köpfe wachsen nicht so ohne weiteres an den Büschen, nicht?«
    »Nein,« antwortete Father Brown trocken, während er auf seine Schuhspitzen niederblickte, »es gibt nur einen Ort, wo sie wachsen. Sie wachsen im Korbe der Guillotine, neben dem nicht ganz eine Stunde vor dem Morde der Chef der Polizei, Aristide Valentin, gestanden hatte. O, meine Freunde, hört mich nur noch eine Minute lang an, ehe ihr mich in Stücke zerreißt. Valentin ist ein ehrlicher Mann, wenn Verranntsein in eine bestreitbare Sache Ehrlichkeit ist. Aber sahen Sie nie in seinem kalten grauen Auge, daß er nicht bei vollem Verstande ist? Er würde alles tun, alles, um das, was er den Aberglauben des Kreuzes nennt, zu brechen. Dafür hat er gekämpft und danach gehungert und jetzt hat er dafür gemordet. Braynes ungezählte Millionen waren bisher unter so viele Sekten verstreut worden, daß sie nur wenig das Gleichgewicht der Dinge zu stören vermochten. Valentin jedoch hörte von einem Gerüchte, daß Brayne wie so viele unruhige Skeptiker uns zutrieb, und das war etwas anderes. Brayne wollte der verarmten Kirche Frankreichs Ströme von Reichtum zufließen lassen; ja, er wollte sogar für sechs nationalistische Blätter wie die ›Guillotine‹ die Kosten bestreiten. Die Schlacht war auf einem Punkte schon zum

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