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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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Beschwerlichkeiten wurden als die Schutzmauern einer besonderen Masse angesehen. Vor allem aber galt eine derselben als von vitalster Bedeutung, nämlich der Umstand, daß nicht mehr als vierundzwanzig Personen gleichzeitig dort speisen konnten. Die einzige große Speisetafel war die berühmte Terrassentafel, welche nach dem Freien hinaus auf einer Art offener Veranda stand und den Blick über einen der ausgesuchtesten alten Gärten Londons gewährte. So kam es, daß man selbst der vierundzwanzig Plätze an diesem Tische sich nur bei warmem Wetter erfreuen konnte, und da dies die Schwierigkeit des Genießens nur erhöhte, machte es letzteres nur um so begehrenswerter. Der Besitzer des Hotels war ein Jude namens Lever, und er hatte nahezu eine Million dadurch gemacht, daß er es erschwerte, hineinzugelangen. Natürlich verband er mit dieser Beschränkung der Ausdehnung seines Unternehmens den sorgfältigsten Schliff in allem. Weine und Gerichte waren so gut wie nur irgendwo in Europa, und das Benehmen der Aufwärter entsprach aufs allergenaueste den fixen Gewohnheiten der oberen Zehntausend Englands. Der Besitzer kannte alle seine Kellner wie die Finger an seiner Hand; es waren deren insgesamt genau fünfzehn. Volksvertreter im Parlament zu werden, war viel leichter, als Kellner in diesem Hotel zu werden. Jeder Kellner war ein Meister in ängstlichem Schweigen und unaufdringlicher Zuvorkommenheit, gleich als wäre er der Kammerdiener eines großen Herrn. Und in der Tat stand gewöhnlich wenigstens je ein Kellner bereit für jeden speisenden Gast.
    Der Klub bei »Zwölf echten Fischer« würde nirgend anderswo zu speisen sich herbeigelassen haben, als an einem solchen Orte, denn er bestand auf luxuriöser Abgeschlossenheit, und der bloße Gedanke, daß irgendein anderer Klub in demselben Hotel auch nur speiste, würde ihn aufs höchste aufgebracht haben. Bei Gelegenheit ihres jährlichen Klubessens pflegten die »Fischer« all ihre Schätze hervorzuholen, als wären sie in einem Privathause, insbesondere das berühmte Gedeck von Fisch-Messern und -Gabeln, die nun einmal das Wahrzeichen des Klubs darstellten, und von denen jedes Stück in Form eines Fisches aufs feinste in Silber gearbeitet und am Knaufe mit einer großen Perle versehen war. Sie wurden jedesmal für den Gang des Fisches aufgelegt, und dieser Gang war von jeher das großartigste des großartigen Mahles. Der Verein besaß eine große Zahl von Zeremonien und Gebräuchen, aber weder eine Geschichte, noch einen Zweck; darin bestand eben das Aristokratische desselben. Du brauchtest gar nichts zu sein, um einer der »Zwölf Fischer« sein zu können; wenn du nicht schon eine gewisse Sorte Person warst, hörtest du überhaupt nichts davon. Seit zwölf Jahren bestand er. Sein Vorsitzender war Mr. Audley, sein Vize der Herzog von Ehester. Wenn ich die Atmosphäre dieses Hotels einigermaßen zeichnen könnte, dürfte sich der Leser mit Recht wundern, wie ich dazu kam, darum zu wissen, und er wird sogar darüber grübeln, wie eine so gewöhnliche Person wie mein Freund Father Brown dazu kam, sich in dieser goldenen Fütterungsanstalt zu finden. Was das anbelangt, ist meine Geschichte einfach, ja sogar alltäglich. Es gibt in der Welt einen sehr bejahrten Aufrührer und Demagogen, der in die vornehmsten Ruhesitze mit der erschütternden Nachricht einbricht, daß alle Menschen Brüder sind, und wo immer dieser Gleichmacher auf seinem fahlen Rosse hinkam, war es Father Browns Aufgabe, ihm zu folgen. Einer der Kellner, ein Italiener, war an jenem Nachmittage von einem Schlaganfalle getroffen worden, und sein jüdischer Dienstherr gestattete, wenn auch ein wenig die Nase rümpfend ob solchen Aberglaubens, daß nach dem nächsten katholischen Priester geschickt würde, was der Kellner Father Brown gebeichtet hat, geht uns nichts an, und zwar aus dem ausgezeichneten Grunde, weil der Geistliche es für sich behielt; anscheinend jedoch veranlaßte es ihn, behufs Absendung einer Mitteilung, oder um irgend etwas Krummes gerade zu machen, einen Auftrag oder eine Feststellung niederzuschreiben. Mit der bescheidenen Dreistigkeit, die er auch im Buckingham-Palaste hervorgekehrt hätte, bat daher Father Brown um ein Zimmer und um ein Schreibzeug. Mr. Lever war in zwei Teile zerrissen. Er war ein zuvorkommender Mann und besaß auch jene schlechte Nachbildung von Güte, die Abneigung gegen jede Schwierigkeit, gegen jeden Auftritt. Gleichzeitig aber wirkte die Anwesenheit auch nur

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