Priester und Detektiv
Zusammentreffen, meine Herren, aber als ich diesen Burschen lang im Grase liegen sah, empfand ich den größten Schlag meines Lebens, hätte ich nicht mit meinen eigenen Augen Louis Becker guillotiniert gesehen, geschworen hätte ich, es sei Louis Becker, der dort im Grase lag. Dann natürlich fiel mir sein Zwillingsbruder in Deutschland ein, und als ich diesen Faden verfolgte –«
Der explizierende Iwan hielt inne, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil niemand ihm zuhörte. Der Hauptmann und der Doktor starrten beide auf Father Brown, der aufgesprungen war und sich die Schläfen drückte, wie dies jemand in plötzlichem und heftigem Schmerze tut.
»Halt, halt, halt!« schrie er, »eine Minute nur, denn ich sehe zur Hälfte. Wird Gott mir die Kraft geben? Wird mein Verstand sich ganz aufraffen und alles sehen? Himmel, hilf! Ich war doch sonst ziemlich gut im Denken. Ich konnte früher den Inhalt jeder Seite des Aquinaten wiedergeben. Wird mein Kopf springen – oder werde ich sehen? Ich sehe halb – nur halb.«
Er vergrub den Kopf in die Hände und stand wie unter der Marter des Denkens oder des Betens erstarrt, während die anderen drei nur immer auf dieses letzte Wunderzeichen ihrer abenteuerlichen zwölf Stunden starrten.
Als Father Browns Hände fielen, enthüllten sie ein ganz frisches und ernstes Gesicht wie von einem Kinde. Er tat einen tiefen Seufzer und begann sodann:
»Sagen und erledigen wir dies so kurz als möglich. Hören Sie mich an. Es wird dies die rascheste Art sein, Sie alle von der Wahrheit zu überzeugen.« Er wandte sich an den Doktor. »Dr. Simon, Sie sind ein starker Kopf und ich hörte Sie heute morgen die fünf schwersten Fragen über diese Geschichte stellen. Gut. Wenn Sie sie nochmals stellen wollten, ich will sie beantworten.«
Simon fiel der Zwicker in Zweifel und Neugier von der Nase, doch er antwortete sofort.
Well , die erste Frage ist wohl, weshalb sollte überhaupt ein Mann einen anderen mit einem plumpen Säbel töten, wenn er es mit einem Dolche hätte tun können?«
»Mit einem Dolche kann man nicht enthaupten,« erwiderte Brown ruhig, »und für diesen Mord war das Enthaupten absolut notwendig.«
»Weshalb?« schrie O'Brien interessiert.
»Und die nächste Frage?« fuhr Father Brown fort.
»Ja, weshalb stieß der Mann keinen Schrei oder irgendeinen Laut aus?« fragte der Doktor. »Säbel sind in Gärten gewiß etwas Ungewöhnliches.«
»Zweige!« erwiderte der Priester nachdenklich, und wandte sich gegen das Fenster, das auf den Schauplatz des Todes hinausblickte. »Niemand beachtete diesen Punkt, die Zweige. Weshalb sollten sie auf jenem Rasen liegen (sehen Sie einmal), so weit von jedem Baum? Sie wurden nicht abgehauen, sie wurden abgerissen. Der Mörder beschäftigte sein Opfer durch einige Tricks mit dem Säbel, indem er ihm zeigte, wie er einen Zweig mitten in her Luft entzweischneiden könne oder sonstwie. Dann, während sein Feind sich bückte, den Erfolg zu sehen, ein stummer Streich und das Haupt fiel.«
»Nun,« sagte der Doktor langsam, »das klingt ganz glaubwürdig. Aber meine beiden nächsten Fragen werden jedermann verblüffen.«
Der Priester stand immer noch nachdenklich, den Blick zum Fenster hinausgerichtet und wartete.
»Sie wissen, daß der ganze Garten wie ein luftdichter Raum verschlossen war,« fuhr der Doktor fort, »Gut, wie kam der Fremde dann in den Garten?«
Ohne sich umzudrehen, antwortete der kleine Priester: »Es war niemals ein fremder Mann im Garten.«
Schweigen trat ein und ein plötzlicher Ausbruch beinahe kindlichen Lachens löste die Spannung. Die Ungeheuerlichkeit von Browns Bemerkung veranlaßte Iwan zu offenem Hohne.
»O,« rief er, »also wir zerrten nicht vergangene Nacht den großen fetten Kerl auf das Sofa dort? Er war wohl gar nicht in den Garten gekommen?«
»In den Garten gekommen?« wiederholte Brown noch immer sinnend. »Nein, nicht ganz.«
»Zum Teufel nochmal,« rief Simon, »ein Mensch kommt in den Garten oder er kommt nicht hinein!«
»Nicht notwendigerweise,« erwiderte der Priester mit mattem Lächeln. »Welches ist die nächste Frage, Doktor?«
»Sie sind wohl krank,« meinte Dr. Simon scharf, »aber wenn Sie wollen, werde ich die nächste Frage stellen. Wie kam Brayne aus dem Garten?«
»Er kam nicht aus dem Garten,« sagte der Priester, immer noch zum Fenster hinausblickend.
»Kam nicht aus dem Garten?« platzte Simon heraus.
»Nicht ganz,« bestätigte Father Brown.
Simon schüttelte in
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