Priester und Detektiv
Stehen gebracht und das entfachte den Fanatiker. Er beschloß, den Millionär zu beseitigen, und er tat es auf eine Weise, wie man von dem größten Detektiv erwarten durfte, daß er das Verbrechen begehen würde. Er nahm unter einem kriminologischen Vorwande den abgetrennten Kopf Beckers an sich und brachte ihn in seiner amtlichen Handtasche mit nach Hause. Er hatte diesen letzten Streit mit Brayne gehabt, den Lord Galloway nicht bis zu Ende hörte; nachdem er darin unterlag, führte er ihn hinaus in den versiegelten Garten, plauderte über Fechtkunst, benutzte Zweige und einen Säbel zur Darstellung und–«.
Iwan mit der Narbe sprang auf.
»Sie Narr,« brüllte er jenen an. »Sie werden mit zu meinem Herrn kommen und ich nehme Sie beim –«
»Wieso? Ich wollte ja eben dorthin gehen,« erwiderte Brown tiefernst. »Ich muß ihn ersuchen, zu beichten usw.«
Indem sie den unglücklichen Brown wie eine Geisel oder ein Opfer vor sich hertrieben, brachen sie mitsammen in die überraschende Stille von Valentins Arbeitszimmer.
Der große Detektiv saß an einem Pulte, anscheinend zu sehr beschäftigt, um auf das lärmende Eindringen zu achten. Sie stockten einen Augenblick, bis etwas in jenem aufrechten und geschmeidigen Rücken den Doktor plötzlich herantreten ließ. Ein Blick genügte ihm. Neben Valentins Ellenbogen stand eine kleine Schachtel mit Pillen, und Valentin saß tot in seinem Stuhle. Und auf dem leblosen Gesichte des Selbstmörders lag mehr als nur der Stolz eines Kato.
Die verdächtigen Tritte
Wenn du einmal ein Mitglied jenes auserlesenen Klubs »Die zwölf echten Fischer« triffst, welches anläßlich des jährlichen Klubdiners das Vernon-Hotel betritt, wirst du, wenn er seinen Überzieher abnimmt, bemerken, daß sein Frack grün und nicht schwarz ist. Wenn (vorausgesetzt, daß du die unerhörte Kühnheit hast, solch ein Wesen anzusprechen) du ihn nach dem Grunde fragst, wird er wahrscheinlich antworten, es geschehe das, um eine Verwechselung mit dem Kellner zu vermeiden. Du wirst dann ganz niedergeschmettert weggehen, aber auch ein ebenso ungelöstes Geheimnis, wie eine erzählenswerte Geschichte hinter dir lassen.
Wenn (um denselben Faden unwahrscheinlicher Mutmaßung weiterzuspinnen) du dann einen milden, hart arbeitenden, kleinen Priester namens Father Brown treffen und ihn fragen solltest, was er für den eigenartigsten Zufall seines Lebens halte, würde er wahrscheinlich antworten, daß im ganzen genommen er seinen besten Streich im Vernon-Hotel vollführt habe, wo er einfach dadurch ein Verbrechen verhindert und vielleicht auch eine Seele gerettet habe, daß er ein paar Schritten auf einem Gange gelauscht hatte. Vielleicht ist er ein klein wenig stolz auf diese seine kühne und wunderbare Mutmaßung, und es ist möglich, daß er darauf zu sprechen kommt. Nachdem es jedoch unermeßlich unwahrscheinlich ist, daß du jemals hoch genug in der Gesellschaft steigen wirft, um auf einen der »Zwölf echten Fischer«, oder je so tief bis zu den verrufenen Vierteln und Verbrechern hinabsinken wirst, um auf Father Brown zu stoßen, fürchte ich, wirst du überhaupt nie die Geschichte vernehmen, wenn nicht von mir.
Das Vernon-Hotel, in welchem »Die zwölf echten Fischer« ihr jährliches Mahl abhielten, war eine Einrichtung, wie sie nur in einer oligarchischen Gesellschaft bestehen kann, welche fast bis zur Übergeschnapptheit erpicht auf seine Lebensart ist, Es war das Erzeugnis einer verkehrten Welt – ein »exklusives« kaufmännisches Unternehmen. Das will besagen, es war ein Ding, das sich nicht dadurch bezahlte, daß es die Leute anzog, sondern daß es sie tatsächlich von sich wies. Inmitten einer Plutokratie lebend werden die Geschäftsleute so schlau, lästiger zu werden als ihre Kunden. Sie schaffen geradezu Schwierigkeiten, damit ihre reichen und aufdringlichen Kunden Geld und diplomatisches Geschick aufwenden, um sie zu überwinden. Wenn es in London ein fashionables Hotel gäbe, das niemand betreten dürfte, der unter sechs Fuß hoch wäre: die Gesellschaft würde sich ergebenst in Gruppen von sechs Fuß hohen Leuten zusammenschließen, um dort speisen zu können. Wenn es ein teures Restaurant gäbe, das aus purer Laune seines Besitzers nur Donnerstag nachmittags offen wäre, es wäre am Donnerstag nachmittags zum Erdrücken voll. Das Veron-Hotel stand wie durch Zufall in der Ecke eines Platzes in Belgravia. Es war ein kleines Hotel und auch ein sehr unbequemes. Aber eben seine
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