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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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gab.«
    »Ja,« nickte Father Brown, »sie ist eine gute Frau.«
    »Deshalb gedenke ich, hier im Garten zu warten, bis der Kerl sich verzogen hat,« fuhr der Arzt fort, »und dann bringe ich Quinton die Medizin hinein. Atkinson kann nicht hinein, weil ich die Türe abgesperrt habe.«
    »In diesem Falle, Dr. Harris,« meinte Flambeau, »könnten wir ja hinten am Ende des Gewächshauses etwas spazieren gehen. Von hier aus gibt es keinen Eingang, aber es ist sehenswert, auch von außen.«
    »Ja, und ich könnte dann einen Blick auf meinen Patienten werfen,« lachte der Arzt, »denn er liegt am liebsten auf einer Ottomane ganz am Ende des Treibhauses, mitten unter all den blutroten Poinsettias; ich würde dabei Gänsehaut bekommen. Aber was machen Sie denn?« Father Brown war einen Augenblick stehen geblieben, um ein im hohen Grase nahezu ganz verborgenes, eigenartig krummes, aber zierlich mit farbiger Stein- und Metallmosaik eingelegtes, orientalisches Messer aufzuheben.
    »Was ist das?« fragte Father Brown und besah es mit wenig Wohlgefallen.
    »O, es wird wohl Quinton gehören,« meinte Dr. Harris gleichgültig; »er hat allerhand chinesischen Kram in seinem Hause. Vielleicht gehört es auch jenem sanften Hindu, den er sich hält.«
    »Welchem Hindu?« fragte Father Brown, noch den Dolch anstarrend.
    »O, irgend so einem indischen Beschwörer,« erwiderte der Arzt leichthin; »ein Betrüger natürlich.«
    »Sie glauben nicht an Zauberei?« fragte Father Brown, ohne aufzublicken.
    »Blödsinn! Zauberei!« erwiderte der Arzt.
    »Es ist sehr schön,« sagte der Priester in leisem, träumerischem Tone; »die Farben sind sehr schön. Aber es ist mißgestaltet.«
    »Wieso?« fragte Flambeau und starrte es an.
    »Aus vielen Gründen. Es besitzt Mißgestalt im Abstrakten. Haben Sie das in der orientalischen Kunst nie empfunden? Die Farben sind berückend reizend, aber die Formen sind niedrig und schlecht – absichtlich niedrig und schlecht. Ich fand in einem Smyrnateppich wirklich Lästerliches.«
    » Mon Dieu !« rief Flambeau lachend.
    »Es sind Buchstaben und Sinnbilder in einer Sprache, die ich nicht kenne; aber ich weiß, sie stellen schlechte Worte dar,« fuhr der Priester fort und seine Stimme wurde zunehmend tiefer. »Die Linien laufen bewußt übel – wie Schlangen, die sich krümmen, um zu entkommen.«
    »Was zum Teufel schwatzen Sie denn da?« sagte der Arzt mit lautem Lachen.
    Flambeau übernahm in Ruhe die Antwort.
    »Hochwürden wird bisweilen von dieser geheimnisvollen Wolke befallen,« erklärte er. »Aber ich mache Sie allen Ernstes darauf aufmerksam, ich habe das nie bei ihm wahrgenommen, ohne daß nicht irgendein Schrecknis in nächster Nähe lauerte.«
    »Unsinn!« rief der Doktor.
    »Sehen Sie,« rief Father Brown und hielt ihm das gekrümmte Messer mit ausgestrecktem Arme hin, als wäre es eine schillernde Schlange. »Sehen Sie nicht, daß es die Mißgestalt zeigt? Sehen Sie nicht, daß ihm der offene und ehrliche Zweck fehlt? Es spitzt sich nicht wie ein Speer. Es schneidet nicht wie eine Sichel. Sein Aussehen ist nicht das einer Waffe, es ist das eines Folterwerkzeuges.«
    »Nun, da es Ihnen anscheinend nicht gefällt,« versetzte Harris scherzend, »wäre es besser, man gibt es seinem Eigentümer zurück. Sind wir noch nicht am Ende dieses verdammten Gewächshauses angelangt? Dieses Haus ist es, wenn Sie nichts dagegen haben, das die Mißgestalt besitzt.«
    »Sie verstehen mich nicht,« sagte Father Brown kopfschüttelnd. »Die Gestalt dieses Hauses ist sonderbar, sie ist sogar lachhaft. Aber sie hat nichts Bösartiges an sich.«
    Während sie so sprachen, schlenderten sie um die Glasrundung, mit der das Gewächshaus abschloß, eine ununterbrochene Kurve, denn weder Tür noch Fenster gewährten an dieser Seite Zutritt. Die Scheiben jedoch waren klar, und die Sonne, obwohl schon im Sinken, schien noch hell, und somit konnte man nicht nur die farbenglühenden Blüten drinnen sehen, sondern auch die hinfällige Gestalt des Dichters, der, mit einer braunen Samtjacke angetan, nachlässig auf dem Diwan ruhte und über einem Buche halb zu schlummern schien. Er war ein bleicher schlanker Mann mit losem, kastanienbraunem Haar und einem Barte, der mit dem Gesichte in Widerspruch stand, denn er ließ dieses weniger männlich erscheinen. Diese Züge waren allen dreien wohlbekannt, doch selbst, wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, ist es zweifelhaft, ob sie gerade in diesem Augenblicke nach Quinton gesehen

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