Priester und Detektiv
Asien sein Geheimnis für sich behält. Dann sagte er wiederum: ich wünsche nichts, und ich wußte, er meinte, er genüge sich selbst, wie ein Kosmos; daß er keines Gottes bedürfe und es für ihn keine Sünde gebe. Und als er zum dritten Male sagte: ich wünsche nichts, sagte er es mit flammenden Augen. Und ich verstand, daß er buchstäblich meinte, was er sagte, daß Nichts sein Sehnen und seine Heimat sei, daß er nach nichts verlangte als nach Wein, daß Aufgehen in Nichts, die reine Zerstörung von allem und jedem –«
Zwei Regentropfen fielen, und aus irgendeinem Grunde schreckte Flambeau auf und blickte aufwärts, als hätten sie ihn gestochen. Und in demselben Augenblicke begann vom Ende des Gewächshauses her der Doktor auf sie zuzulaufen, wobei er irgend etwas laut rief.
Als er wie eine Bombe unter sie fuhr, wollte es der Zufall, daß der unruhsame Atkinson sich dem Hause näherte. Der Arzt packte ihn mit krampfhaftem Griffe am Kragen. »Betrüger!« schrie er, »was hast du ihm getan, du Hund?«
Der Priester war aufgesprungen, und seine Stimme klang stahlhart wie die eines kommandierenden Soldaten.
»Keine Schlägerei,« rief er kühl, »wir sind unser genug hier, um wenn nötig jeden festzuhalten. Was ist geschehen, Doktor?«
»Es ist etwas nicht in Ordnung mit Quinton,« versetzte der Arzt leichenblaß. »Ich konnte ihn soeben durch die Scheiben sehen, und die Art, wie er liegt, gefällt mir nicht. Jedenfalls liegt er nicht mehr so, wie ich ihn verließ.«
»Gehen wir zu ihm hinein,« sagte Father Brown kurz. »Sie können Mr. Atkinson freilassen; ich habe ihn, seit wir Quintons Stimme hörten, nicht aus dem Auge verloren.«
»Ich werde hier bleiben und ihn bewachen,« erbot sich Flambeau eilend. »Sie gehen hinein und sehen nach.«
Der Arzt und der Priester liefen zur Türe des Studierzimmers, schlossen auf und stürzten hinein. Dabei fielen sie fast über den großen Mahagonitisch in der Mitte, an welchem der Dichter zu schreiben pflegte, denn der Raum war nur durch ein schwaches, für den Kranken unterhaltenes Kaminfeuer erleuchtet. In der Mitte dieses Tisches lag ein einzelnes Blatt Papier, augenscheinlich mit Absicht dort hingelegt. Der Arzt griff es auf, warf einen Blick darauf und mit dem Ausruf: »Guter Gott, sehen Sie nur!« reichte er es Father Brown hin, stürzte nach dem Glashause, wo über den verhängnisdrohenden Tropenpflanzen noch ein Glutschimmer des Abendrotes zu hängen schien.
Father Brown las die Worte dreimal, ehe er das Papier niederlegte. Die Worte lauteten: »Ich sterbe durch meine eigene Hand, doch sterbe ich gemordet.« Sie waren in der ganz unnachahmbaren, um nicht zu sagen unlesbaren Handschrift Leonhard Quintons geschrieben.
Dann schritt Father Brown, noch immer das Papier in der Hand, nach dem Gewächshause, wo ihm sein ärztlicher Freund mit einem Ausdruck der Gewißheit und Bestürzung entgegentrat. »Er hat es getan,« sagte Harris.
Mitsammen durchschritten sie die überwältigende, unnatürliche Pracht von Kakteen und Azaleen und fanden Leonhard Quinton, den Dichter und Romanschriftsteller, mit herabhängendem Kopfe, so daß seine rötlichen Locken den Boden berührten, auf der Ottomane liegend. In seiner linken Seite steckte das seltsame Dolchmesser, das sie im Garten aufgelesen hatten, und seine welke Hand ruhte noch am Griff.
Draußen tobte der plötzlich entfesselte Sturmwind, und der niederströmende Regen verdunkelte Garten und Glasdach. Father Brown schien dem Papiere mehr Aufmerksamkeit zuzuwenden, als der Leiche; er hielt es dicht vor die Augen und suchte es anscheinend in der Dunkelheit zu lesen. Dann hielt er es aufwärts gegen das schwache Licht, und in diesem Augenblicke zuckte ein Blitz mit seinem weißen Lichte durch den Raum, so grell, daß das Papier schwarz dagegen erschien.
Donnererfüllte Finsternis folgte und nachdem der Donner verhallt war, sagte Father Browns Stimme aus dem Dunkel: »Doktor, dieses Papier hat nicht die rechte Gestalt.«
»Was meinen Sie damit?« fragte Doktor Harris und starrte ihn stirnrunzelnd an.
»Es ist nicht viereckig,« antwortete Brown. »Es ist der Rand an der Ecke abgeschnitten. Was bedeutet das?«
»Wie zum Teufel soll ich denn das wissen?« brummte der Doktor. »Glauben Sie, wir sollten den armen Burschen aufheben? Er ist ganz tot.«
»Nein,« antwortete der Priester, »wir müssen ihn liegen lassen, wie er liegt, und die Polizei holen lassen.« Doch fuhr er immer noch fort, das Papier zu
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