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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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allgegenwärtigen Asiaten hinausgehen und betrat dann festen Schrittes die Vorhalle. Dort stieß er auf eine Gestalt, die er bereits vergessen hatte. Der fade Atkinson lungerte noch immer herum, summte vor sich hin und beklopfte dies und das mit dem Knopfe seines Spazierstockes. Aus dem krampfhaft zuckenden Gesichte des Arztes sprachen Ekel und Entschlossenheit, und er flüsterte rasch seinen Begleitern zu: »Ich muß die Türe wieder schließen, sonst kommt der Kerl hinein. Aber ich werde in zwei Minuten wieder heraus sein.«
    Schnell schloß er auf und schloß sofort wieder hinter sich, damit gerade noch einen Versuch des jungen Gecken mit dem steifen Hut, einzudringen, vereitelnd. Der junge Mann warf sich ungeduldig auf einen der Stühle des Vorzimmers, Flambeau betrachtete eine persische Illustration an der Wand, und Father Brown, der sich in einer Art Betäubung befand, blickte gedankenlos die Türe an. Nach ungefähr vier Minuten wurde diese wieder geöffnet. Diesmal war Atkinson flinker. Er machte einen Satz, hielt die Türe einen Augenblick offen und rief hinein: »O, höre mal, Quinton, ich brauche –«
    Vom anderen Ende des Arbeitszimmers ertönte die klare Stimme Quintons, so etwas zwischen Gähnen und lautem Lachen.
    »Ja, ja, ich weiß schon, was du brauchst. Nimm und laß mich in Ruhe. Ich schreibe an einem Gedicht über Pfauen.«
    Ehe die Türe sich schloß, flog ein Zehnschillingstück durch den Spalt, und Atkinson fing es, mit ausnehmender Geschicklichkeit vorwärts stürzend, auf.
    »So, das ist abgemacht,« sagte der Arzt, und indem er wütend die Türe schloß, schritt er den anderen voran in den Garten hinaus.
    »Der arme Leonhard kann nun etwas ausruhen,« fügte er zu Father Brown gewendet hinzu; »er bleibt jetzt auf ein oder zwei Stunden ganz allein eingeschlossen.«
    »Ja,« antwortete der Priester, »und seine Stimme klang ganz heiter, als wir ihn verließen.« Dann blickte er nachdenklich im Garten umher und sah die vernachlässigte Gestalt Atkinsons stehen, der mit seinem Zehnschillingstück in der Tasche spielte, und weiter drüben im purpurnen Dämmerlichte die Gestalt des Inders, der, das Gesicht der sinkenden Sonne zugekehrt kerzengerade auf einem Grashügel saß. Dann fragte er unvermittelt: »Wo ist Mrs. Quinton?«
    »Sie ist in ihr Zimmer hinaufgegangen,« erwiderte der Arzt. »Dort ist ihr Schatten auf dem Vorhang.«
    Father Brown blickte empor und prüfte stirnrunzelnd einen dunklen Schattenriß, der sich vom gasbeleuchteten Fenster abhob.
    »Ja,« gab er zu, »das ist ihr Schatten,« ging ein paar Meter weiter und warf sich in einen Gartenstuhl.
    Flambeau ließ sich neben ihm nieder, doch der Arzt war einer jener energischen Menschen, denen auf ihren eigenen Beinen wohler ist. Er schritt weiter in die Dämmerung hinaus, rauchte seine Zigarre, und die beiden Freunde blieben sich selbst überlassen.
    » Mon père ,« begann Flambeau in Französisch, »was ist mit Ihnen?«
    Father Brown blieb eine halbe Minute schweigend und regungslos, dann sagte er: »Aberglaube ist etwas Irreligiöses, aber es liegt hier über diesem Orte irgend etwas in der Luft. Ich glaube, es ist jener Inder – wenigstens zum Teil.«
    Er versank von neuem in Schweigen und beobachtete den fernen Umriß des Inders, der immer noch steif wie im Gebete dasaß. Auf den ersten Blick schien er regungslos, doch als Father Brown ihn genauer betrachtete, gewahrte er, daß der Mann nahezu unmerklich in einer rhythmischen Bewegung hin- und herschwankte, gerade wie die dunklen Baumwipfel leise in dem leichten Winde wogten, der die düstren Gartenpfade heraufwehte und die gefallenen Blätter aufwirbelte.
    Die Dunkelheit senkte sich schnell auf das Land hernieder wie vor einem Gewitter, doch konnte man noch jede Gestalt auf ihrem Platze erkennen. Atkinson lehnte verdrossen an einem Baume, Quintons Gattin stand noch an ihrem Fenster, der Arzt schlenderte langsam um das Ende des Studierzimmers, man konnte seine Zigarre wie ein Irrlicht leuchten sehen, und der Fakir saß noch aufrecht, aber doch schwankend da, während die Bäume über ihm zu schwingen und fast zu rauschen anfingen. Sicher zog ein Wetter herauf.
    »Als der Inder mit uns sprach,« fuhr Brown in leisem Unterhaltungstone fort, »hatte ich etwas wie eine Vision, ich sah gewissermaßen ihn und die Welt, in der er lebte. Und doch sagte er nur dreimal dasselbe. Als er zum erstenmal sagte: ich wünsche nichts, bedeutete dies nur, daß er undurchdringlich sei, daß

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