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Priester und Detektiv

Priester und Detektiv

Titel: Priester und Detektiv Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gilbert Keith Chesterton
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fort. Der Spaziergänger, welcher eine dieser Straßen entlang geht, kommt an einem Haus vorüber, das ihm wahrscheinlich auffallen wird, obwohl er kaum angeben kann, worin das Auffallende besteht. Es ist ein langes, niedriges Haus, das neben der Straße herläuft, größtenteils weiß und mattgrün getüncht, mit einer Veranda und Sonnenläden und mit Erkern, überdacht von jenen eigenartigen, schirmähnlichen Kuppeln aus Holz, wie man sie manchmal an altmodischen Häusern sieht. Es ist in der Tat auch ein altmodisches Haus, echt englisch und vorstädtisch, von der guten, alten Reichtum atmenden Art Claphams. Und doch sieht das Haus aus, als sei es hauptsächlich für die heiße Jahreszeit gebaut worden. Betrachtet man seinen weißen Verputz und die weißen Läden, so denkt man unwillkürlich an weiße indische Turbane und sogar an Palmen. Ich kann dem Gefühle nicht auf den Grund kommen; vielleicht hat den Bau ein Anglo-Indier errichtet.
    Jeder, der an diesem Hause vorbeiginge, würde, wie gesagt, dessen Reiz empfunden haben, würde fühlen, daß es ein Ort war, der seine eigene Legende hatte. Und er würde richtig geraten haben, wie man sogleich hören soll. Ich erzähle die Geschichte der seltsamen Dinge, die tatsächlich zu Pfingsten des Jahres 18.. sich dort abgespielt haben.
    Ein jeder, der am Donnerstag vor Pfingsten gegen halbfünf Uhr nachmittags dort vorübergegangen wäre, würde die Haustüre offen und Father Brown von der kleinen St. Mungokirche in Gesellschaft eines sehr großen, eine sehr kleine Zigarette rauchenden französischen Freundes, namens Flambeau heraustreten gesehen haben. Ob nun diese beiden für den Leser von Interesse sein mögen oder nicht, sicher ist soviel, daß sie nicht das einzig Bemerkenswerte waren, was sich dem Auge darbot, als die Vordertüre des weißgrünlichen Hauses sich auftat. Dasselbe besaß noch weitere Eigentümlichkeiten, welche von vorneherein beschrieben werden müssen, nicht nur damit der Leser diese tragische Begebenheit versteht, sondern auch, damit er weiß, was die aufgehende Türe enthüllte.
    Der Plan, nach dem das ganze Haus gebaut war, bildete ein T , aber ein T mit sehr langem Querbalken und einem sehr kurzen Schwanzstücke. Den langen Querbalken bildete die Front, welche sich längs der Straße hinzog, mit dem Haupteingange in der Mitte; sie bestand aus zwei Stockwerken und enthielt fast alle Haupträumlichkeiten. Das kurze rechtwinkelige Stück, welches unmittelbar gegenüber dem Portale nach rückwärts hinauslief, trug nur ein Stockwerk und bestand bloß aus zwei langen, ineinander gehenden Räumen. Das vordere dieser beiden Zimmer war das Studierzimmer, in dem der berühmte Mr. Quinton seine wilden orientalischen Gedichte und Romane verfaßte. Der anschließende Raum war ein Gewächshaus voll tropischer Pflanzen von ganz eigenartiger fast ungeheuerlicher Pracht und an Nachmittagen wie diesem durchglüht vom herrlichsten Sonnenlichte. Wenn somit die Haustüre offenstand, blieb so mancher Vorübergehende stehen, zu staunen und zu starren, denn vor ihm tat sich ein Ausblick auf reichausgestattete Räume und etwas was wirklich einer Verwandlungsszene in einem Märchenspiele glich, auf: Purpurwolken, Sonnengold und funkelnde Sterne, zu gleicher Zeit lebhaft erglühend und dennoch so durchsichtig fern.
    Leonhard Quinton, der Dichter, hatte selbst sehr sorgfältig diese Wirkung ausgedacht, und es ist zweifelhaft, ob er in irgendeiner seiner Dichtungen so vollkommen seine Persönlichkeit zum Ausdruck brachte. Denn er war ein Mensch, der Farbenpracht schlürfte und in ihr schwelgte, der in seiner Gier manchmal über die Form hinwegsah – auch über die gute Form. Dies war es, was seinen Geist so gänzlich orientalischer Kunst und Form zugewandt hatte, jenen sinnverwirrenden Teppichen und blendenden Stickereien, bei welchen alle Farben zu einem glücklichen Durcheinander verschmolzen scheinen, ohne irgend etwas ausdrücken oder besagen zu sollen. Er hatte, wenn auch nicht gerade mit vollkommenem, künstlerischem Erfolg, so doch mit anerkannter Phantasie und Erfindungsgabe versucht, Epen und Liebesgeschichten zu schreiben, die ein Schwelgen in sattesten und sogar grausamen Farben widerspiegelten, Erzählungen von tropischem Himmel mit sengendem Gold oder blutrotem Kupfer, von orientalischen Helden, die mit einer von zwölf Turbanen umschlungenen hohen Mitra auf purpur oder pfauengrün bemaltem Elefanten einherritten, von riesenhaften Juwelen, welche hundert

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