Principia
wie ein besserer Herr gekleidet, doch keine Perücke bedeckte seinen kahlen Schädel, und an seiner Hüfte baumelte kein Schwert. Er war in einen langen Reiseumhang gehüllt. Das war keine bloße modische Vorliebe, denn das Kleidungsstück war zerknittert und beschmutzt, und die Stiefel des Mannes waren seit Wochen von keinem Diener angefasst worden.
Als er spürte, dass Caroline zu ihm hinsah, griff er in eine Tasche des Umhangs, zückte eine gewichtige Börse aus karmesinrotem Leder und nestelte sie mit sparsamen Bewegungen seiner Altmännerhände auf. Er pflückte eine große Goldmünze heraus. Diese schnickte er in die Luft über dem Becken. Ein gelbes Stäubchen, leuchtete sie einen Moment lang auf, ehe der Silberstrom sie in das Becken hinabschmetterte.
»Einen Penny für die Gedanken Eurer Königlichen Hoheit«, sagte der Mann auf Englisch.
»Für mich hat es eher nach einer Guinee ausgesehen«, gab sie zurück. Es ärgerte sie unsäglich, dass dieser Eindringling hier war; aber sie war wohlerzogen und würde ihre Verärgerung ebenso wenig zeigen, wie Georg August bei der Inspektion der königlichen Garde vom Pferd fallen würde.
Der Alte zuckte die Achseln, öffnete die Börse vollends und stülpte sie durch Druck mit den Daumen um, sodass ein Schauer von Goldguineen in das Becken rieselte.
»Davon könnte ein Dorf ein Jahr lang leben«, bemerkte Caroline. »Sobald Ihr Euch verabschiedet habt, werde ich diese Münzen herausfischen und in die Almosenbüchse geben lassen.«
»Dann macht Euch darauf gefasst, dass Euer lutherischer Pastor sie Euch mit einem knappen Brieflein zurückschickt«, gab der Alte zurück.
»Welchen Inhalts?«
»Er würde vielleicht schreiben: ›Eure Königliche Hoheit sollten diese Artefakte aufheben und sie Armen in England geben, wo sie einen Wert besitzen, weil der Souverän sagt, dass sie das tun.‹«
»Das ist ein sehr sonderbares Gespräch -«, begann Caroline.
»Verzeiht mir. Ich komme von Leuten, die sich von königlichem Blut nicht beeindrucken lassen. Wir stehen für die Gleichheit aller Menschen vor Gott. Wenn mir also eine Prinzessin unerwartet ein sonderbares Gespräch aufnötigt, kann ich nicht ruhen, bis ich sie aufgesucht und mich revanchiert habe.«
»Wann und wo habe ich Euch diese Kränkung zugefügt?«
»Kränkung? Nein, es war so etwas wie eine merkwürdige Gunst. Wann? Vergangenen Oktober, obschon Ihr es lange vorher in die Wege geleitet haben müsst. Wo? In Boston.«
»Ihr seid Daniel Waterhouse!«
»Euer untertänigster und gehorsamster Diener. Ach, was würde es meinen Vater erzürnen, wenn er hörte, wie sein Sohn das zu einer Prinzessin sagt.«
»Ihr verdient Ehren, Doktor, und jeden Komfort, den ich Euch gewähren kann. Warum kommt Ihr nach Art eines Vagabunden zu mir? Und warum eröffnet Ihr das Gespräch mit diesen seltsamen Bemerkungen über Guineen?«
Daniel Waterhouse schüttelte den Kopf. »Königin Anne hat wieder einmal einen ihrer Briefe an Sophie geschrieben...«
»Ach, du meine Güte!«
»Oder vielmehr, Bolingbroke hat ihn geschrieben und der Ärmsten vorgelegt, damit sie ihre Unterschrift darunterkrakelt. Eine Delegation von Engländern hat den Brief hierherexpediert: ein paar Torys, um die Demütigung zuzufügen, und ein paar Whigs, um sie zu erleiden. Erstere sind vornehm und bedeutend – viele, die bei Bolingbroke gut angeschrieben sein möchten, konkurrierten um wenige Positionen. Für die freien Stellen der Prügelknaben dagegen wurde bei den Whigs wenig Begeisterung an den Tag gelegt. Vielmehr musste man ein paar vertrocknete, drittrangige Figuren am Tower Wharf auf das Schiff treiben wie Mohren an der Küste von Guinea. Ich habe das als Gelegenheit aufgefasst, herzukommen und meine Schuld bei Eurer Königlichen Hoheit zu begleichen.«
»Was, mit Guineen?«
»Nein, keine Geldschuld. Ich spreche abermals von dem Moment, als Ihr mich in Boston unerwartet mit einem sonderbaren Gespräch überrascht habt, das umgehend zu Seereise und Abenteuer führte.«
»Es gefällt mir, das Gespräch zu führen«, sagte Caroline, »und ich wünschte mir gewiss nichts lieber, als dass es mir mit einer Seereise und einem Abenteuer vergolten würde. Aber dergleichen ist etwas für Abenteuerromane. Nicht für Prinzessinnen.«
»Ihr werdet die Reise bald genug antreten, obschon sie nichts weiter als eine Kanalüberquerung sein wird. Sobald Ihr bei Greenwich englischen Boden betretet, wird ein Abenteuer – welcher Art, wage ich nicht zu
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