Principia
das in ersteren geprägte Konterfei von Königin Anne erkennen.
»Ich sehe die alte Hexe kommen und gehen«, bemerkte sie.
Prinzessin Caroline blieb stumm.
»Es ist ein Symbol, ein Zeichen«, verkündete die Kurfürstin von Hannover, »das einer dieser grässlichen englischen Besucher hier platziert hat.«
»Und was, glaubt Ihr, bedeutet es?«
»Das kommt darauf an, was man von englischem Geld hält«, erwiderte Sophie. »Was auf dasselbe hinausläuft wie die Frage, ob es irgendetwas wert ist.«
Diese Äußerung, die auf sonderbare Weise einigen Bemerkungen ähnelte, die der in Rede stehende grässliche englische Besucher Augenblicke zuvor gemacht hatte, veranlasste Caroline, die Augen von den Münzen abzuwenden und Sophie ins Gesicht zu sehen. Dazu musste sie den Blick leicht senken, denn Sophie hatte ein paar Zoll Körpergröße eingebüßt. Ihre Haut war faltig, wie man bei einer Frau ihres Alters erwarten würde, doch hatte dies ihren Augen eine wunderbare Klarheit verliehen. Schloss Herrenhausen und das Leineschloss waren mit alten Familienporträts geschmückt, die nicht nur Sophie und ihre Schwestern, sondern auch ihre Mutter zeigten. Sie starrten mit hochgezogenen Brauen, riesigen Augen und winzigen Mündern von der Leinwand – Frauen, die viel sahen und wenig sagten. In einem salon wären sie ganz gewiss nicht die ersten jungen Damen, denen sich ein unsicherer junger Mann nähern würde, um sie in ein Gespräch zu verwickeln. Nun wusste Caroline so gut wie jeder andere, dass Porträts von Angehörigen fürstlicher Familien cum grano salis zu nehmen waren. Doch das Antlitz, das sie jetzt betrachtete, war denen auf den Gemälden gar nicht so unähnlich. Die Augen, der Mund waren die gleichen. Mehr noch der Eindruck von Selbstbeherrschung, von Vollständigkeit, das Gefühl, dass diese Frau durchaus nicht herumstand und darauf wartete, dass sich ihr jemand zugesellte, oder wünschte, jemand würde mit ihr reden. Verändert hatte sich einzig die Kleidung. Obschon für Mode niemals aufgeschlossen, hatte sich Sophie die fontange zu eigen gemacht, einen hohen, vom Haaransatz ausgehenden, senkrechten Schirm aus weißer Spitze, der ihrer Körpergröße einige Zoll hinzufügte und ihr schütter werdendes weißes Haar vor Blicken verbarg und von jenen wundervollen Augen fernhielt.
In diesem Augenblick hatte Caroline einen sonderbaren Gedanken, nämlich den, dass Sophie und Daniel Waterhouse vielleicht gut zueinander passen würden. Denn auch er hatte große, stiere Augen und eine Veranlagung, die der von Sophie entsprach. Sie könnten bis weit ins achtzehnte Jahrhundert hinein damit drohen, sich gegenseitig den Kopf abzuhacken.
»Hast du mit einem von den Engländern gesprochen? Ich meine diejenigen, die gerade eingetroffen sind, nicht die vom Typ Braithwaite.«
»Ganz kurz.«
»Komm, ich möchte weg von diesen Münzen und weg von dieser Frau«, sagte Sophie, kehrte dem Becken den Rücken und neigte sich Caroline in der Gewissheit zu, bei ihr einen starken Arm zu finden. Die beiden Frauen fügten sich zusammen wie die Hälften eines Medaillons und entfernten sich vom Beckenrand. Sophie lotste Caroline resolut in die von ihr gewünschte Richtung. Aber sie hatte eine Zeitlang nichts weiter zu sagen.
Diese Hälfte des Gartens war in Quadranten aufgeteilt, die jeweils um einen Springbrunnen herum angelegt waren, der viel kleiner war als der große in der Mitte. Von diesen Brunnen gingen strahlenförmig schmale Pfade aus, die jeden Quadranten in mehrere keilförmige Stücke teilten. Jeden dieser – insgesamt zweiunddreißig – Keile hatte man zu einem kleinen Stück Garten gestaltet, und jeder war ein wenig anders: einige so sauber und aufgeräumt wie Salons, andere so dunkel und verwuchert wie der Thüringer Wald. Sophie lotste Caroline zu einem, der von einer hohen Wand aus beschnittenen Bäumen abgeschirmt wurde. Sie durchschritten eine Lücke und fanden sich in einem gefälligen grünen Atrium wieder, das über ein kleines Wasserbecken in der Mitte und steinerne Bänke entlang dem Rand verfügte. Sophie gab zu erkennen, dass sie auf einer davon zu sitzen wünschte – ungewöhnlich, denn für sie war ein Spaziergang im Garten genau das: ein Spaziergang.
»Einer der Engländer hat gestern Abend ein sonderbares Wort benutzt – ›currency‹. Kennst du es?«
»Es ist die Eigenschaft, die ein ›current‹, ein Strom besitzt. Sie sprechen von der ›currency‹ der Themse, die an den meisten Stellen träge
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