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Principia

Principia

Titel: Principia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neal Stephenson
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mutmaßen – unvermeidlich sein.«
    »Das galt aber auch, ob Ihr nun gekommen wärt oder nicht«, sagte Caroline, »warum also seid Ihr gekommen? Um Leibniz zu sehen?«
    »Er ist leider nicht in der Stadt.«
    »Es betrifft die Guineen, nicht wahr?«
    »Richtig.«
    »Dann muss es auch etwas mit dem Mann zu tun haben, der sie herstellt: Sir Isaac Newton.«
    »Leibniz hat mir gesagt, dass man Euch kaum unterrichten müsse – dass Ihr selbständig denkt. Wie ich sehe, war das mehr als onkelhafter Stolz.«
    »Dann tut es mir leid, Euch sagen zu müssen, dass ich mit meinen Deduktionen am Ende bin. Ich habe Euch gebeten, nach London zu gehen. Es hat mir sehr gefallen, dass Ihr es getan habt. Ihr habt dort Sir Isaac aufgesucht und Eure alte Bekanntschaft mit ihm erneuert – das ist lobenswert.«
    »Nur in dem Sinne, in dem man einen Possenreißer auf einem Jahrmarkt dafür loben muss, dass er ein Schwert schluckt.«
    »Pfui! Im Winter den Atlantik zu überqueren und sich in die Höhle des Löwen zu wagen ist eine herkulische Arbeit. Ich bin rundum zufrieden mit dem, was Ihr bisher zustande gebracht habt.«
    »Ihr vergesst, dass es mir gleich ist, ob Ihr zufrieden seid. Ich tue nichts, um Euer Lob zu verdienen. Ich habe diese Arbeit schlicht deshalb übernommen, weil ich mir einbilde, dass meine Zwecke den Euren ähnlich sind; und was diese Zwecke angeht, habt Ihr mir einiges an Mitteln an die Hand gegeben.«
    Nun musste Caroline das Gesicht voll in den Dunst drehen, um es abzukühlen – wie ein rotglühendes Eisen, das abgelöscht werden muss, damit es beim Aushärten nicht zerbricht.
    »Ich habe gehört, dass es in England noch immer Männer wie Euch gibt«, sagte sie schließlich, »und es ist gut, dass ich Euch jetzt unter vier Augen und im Voraus getroffen habe, damit ich mir die ersten Wochen dort nicht dadurch verderbe, dass ich jeden Tag vor dem Frühstück mehrmals ›Herunter mit seinem Kopf!‹ rufe.«
    »Heute steht zur Debatte, ob Ihr oder Georg Ludwig oder Sophie überhaupt je in England herrschen werdet«, sagte Daniel Waterhouse. »Oder ob ein jakobitischer Pöbel oder ein Stuart-König ›Herunter mit euren Köpfen‹ rufen wird.«
    Dieser Gedanke war nicht so sehr erschreckend als vielmehr interessant. Caroline vergaß ihren Zorn völlig und gab dem Gedanken Raum. »Mir ist natürlich bewusst, dass es in England viele Jakobiten gibt«, sagte sie. »Aber das Thronfolge-Gesetz ist seit 1701 in Kraft. Unser Recht auf den Thron kann eigentlich nicht in Frage stehen, oder?«
    »Wir haben Sophies Onkel enthauptet. Ich war dabei. Es gab vernünftige Gründe dafür. Aber es brachte auch unvorhergesehene Gefahren mit sich. Es hat gleichsam die Köpfe von Fürsten und Fürstinnen ins Spiel gebracht, wie Bälle auf einem Feld, die hin und her getreten werden, je nachdem, welche Schar von Spielern größer und geschickter ist. Glaubt Ihr denn auch, dass Sophie Charlotte, wie viele behaupten, in Berlin ermordet wurde?«
    »Davon wollen wir nicht reden!«, verkündete Caroline; und an dieser Stelle hätte sie tatsächlich befohlen, ihm den Kopf abzuschlagen, falls irgendwelche Wachen in Hörweite gewesen wären. Oder es mit eigenen Händen getan, falls sie einen scharfen Gegenstand zur Hand gehabt hätte. Ihre Wut musste wohl bemerkbar sein, denn nun zog Daniel Waterhouse die weißen Augenbrauen hoch, hob das Kinn und sprach mit einer Stimme, die so besänftigend und milde war, dass sich der Affekt wie Zucker im Murmeln der Wellen entlang dem Beckenrand auflöste.
    »Ihr vergesst, dass ich Leibniz kenne und dass ich durch ihn seine Zuneigung zu dieser Königin und seinen Kummer teilte. Kummer und Zorn.«
    »Er glaubt, dass man sie vergiftet hat?« Es war dies eines der wenigen Themen, das mit Caroline zu erörtern Leibniz sich weigerte.
    »Die Art und Weise ihres Todes ist nicht so wichtig wie seine Folgen. Wenn auch nur die Hälfte von dem stimmt, was man sich von ihr erzählt, so hatte sie Berlin in einen protestantischen Parnass verwandelt. Aus allen Richtungen strömten Schriftsteller, Musiker und Wissenschaftler in Schloss Charlottenburg zusammen. Aber sie ist gestorben. Erst unlängst ist ihr Mann ihr nachgefolgt. Wo der frühere König von Preußen sich damit unterhielt, dass er die Oper besuchte, spielt der neue mit Zinnsoldaten... Ich sehe Belustigung in Eurem Gesicht, Eure Königliche Hoheit. Es muss wohl, denke ich, familiäre Zuneigung für Euren Vetter sein, dem es Paraden und im Gleichschritt

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