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Pringle vermisst eine Leiche

Pringle vermisst eine Leiche

Titel: Pringle vermisst eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Livingston
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und dann mit
entschlossen vorgerecktem Hals den schmalen Weg überquerte.
    Dieser Weg, den sie in seiner
Jugend ‹Liebespfad› genannt hatten, war jetzt beinahe zugewachsen. Vor fünfzig
Jahren hatten die zum Militär eingezogenen jungen Männer ihre Mädchen hierher
geführt, um sie ewige Treue schwören zu lassen. Und noch ein paar Jahrhunderte
früher hatten Kreuzfahrer ihren Liebsten an ebendieser Stelle denselben Schwur
abgenommen. Einer von ihnen hatte, wie Mr. Pringle sich erinnerte, in der
Dorfkirche die letzte Ruhestätte gefunden, seinen Lieblingshund ihm zu Füßen.
Plötzlich fiel ihm wieder ein, daß er genau von hier aus damals beobachtet
hatte, wie Elsie Alf, den Sohn des Schlachters, hinter die Hecke dort drüben
gezogen hatte. Ein paar Tage später hatte er dann mitbekommen, wie sich die
beiden stritten, weil Alf seine Half-crown zurückhaben wollte. War es dieser
Streit gewesen, durch den Elsies Zauber über ihn an Macht verloren hatte?
    An einem Brückenpfeiler weiter
rechts lehnte eine Papptafel mit der Aufschrift ÖKOLOGIE HAT VORRANG! AUCH
FRÖSCHE HABEN RECHTE! Auf der Rückseite klebte ein altes Wahlplakat der SDP.
Das war bestimmt Miranda, die Dachs-Schützerin, dachte Mr. Pringle belustigt.
    Er folgte dem Weg und stand
kurz darauf vor einem gepflegten Rondell mit dem Ehrenmal für die Gefallenen.
Dahinter lagen, im Halbkreis angeordnet, drei Eingangstore. Das überdachte in
der Mitte führte auf den Friedhof. Das links davon, ein schmiedeeisernes
Kunstwerk, gehörte zu einem Torwärterhäuschen, das, mit zwei beweglichen
Kameras ausgerüstet, eine lindenbestandene Auffahrt bewachte, an deren Ende,
hinter Bäumen verborgen, ein Herrenhaus aus der Zeit Jakobs I. lag.
    Es war nie bewohnt gewesen, war
nie in der traditionellen Weise vom Vater auf den Sohn vererbt worden, da sein
erster Besitzer, ein Emporkömmling zur Zeit Jakobs I., sich durch den Bau so
hoch verschuldet hatte, daß er das Haus gleich nach seiner Fertigstellung einer
Bank als Sicherheit überlassen mußte. Erst Mitte der fünfziger Jahre dieses
Jahrhunderts war es dann aus Bankbesitz in die Hände einer entfernt mit dem
Saudischen Königshaus verwandten Familie gelangt, die jedoch nur eine Nacht
dort verbrachte und sich am nächsten Morgen eine luxuriöse Wohnung plus
Dienstboten in der Nähe von Harrods mietete. So stand das Haus wieder leer.
    Das letzte der drei Tore sah
schon etwas mitgenommen aus und ließ sich nicht mehr schließen. Es führte zum
Pfarrhaus. An seinen rostigen Längsstangen war ein Plakat befestigt, das für
den Besuch des Blumenfestes warb.
    Der Unfall vom Vormittag begann
sich unangenehm bemerkbar zu machen. Mr. Pringles Nacken war steif und
schmerzte. Er verspürte das Bedürfnis, sich zu setzen, um ein wenig auszuruhen.
So trat er durch das Friedhofstor und fühlte sich sogleich in seine Kindheit
zurückversetzt, als ihn seine Großmutter noch jede Woche in die Sonntagsschule
geschickt hatte.
    Die Kirche war schmal und
rechteckig, halb verborgen durch das tief herabreichende Strohdach, das
dringend einer Reparatur bedurfte. Die Apsis an der Ostseite war jüngeren
Datums, sie stammte aus der Zeit der Normannenherrschaft. Die dicken Mauern der
kleinen Kirche bestanden aus weichem bräunlichen Kalkstein, durchsetzt von
grauen und schwarzen Feuersteinen. Der niedrige, kompakte Bau wirkte eher
trutzig und abweisend als einladend.
    Der Friedhof war alles andere
als groß, aber der Küster hatte es trotzdem irgendwie geschafft, den toten
Major gleich neben den Gräbern seiner Vorfahren unterzubringen. Oben auf dem
frisch aufgehäuften Erdhügel lagen üppige Blumensträuße. Hier also ruhte der
letzte männliche Nachkomme der Familie Petrie Coombe-Hamilton, denn ansonsten
gab es, wenn man Elsies Auskünften trauen durfte, nur noch eine unverheiratete
Tochter.
    Und was hatte der Major in den
86 Jahren, die er gelebt hatte, erreicht? Nun, im Herbst 39 hatte er es
immerhin geschafft, eine Reihe junger Männer an den Rand der Erschöpfung zu
treiben. Mr. Pringle erinnerte sich mit Schaudern an den unerbittlichen Drill
auf dem Anger, nachdem der Major irgendwann zu der Überzeugung gelangt war,
niemand anderer als er selbst habe hier im Dorf den militärischen Oberbefehl.
    Mr. Pringle brauchte eine
Weile, bis er sich wieder erinnerte, wo seine Großmutter lag. Das Grab war
völlig zugewachsen. Die Brombeerranken hätte er am liebsten gleich
herausgerissen, aber sein Rücken schmerzte zu sehr. Er würde an einem

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