Prinz-Albrecht-Straße
nach allen Seiten. Er war zwar in dieser Branche noch ein Anfänger, aber er wollte es weit bringen.
Ira hatte keine Ahnung, in welches Abenteuer sie hineinrollte, es war ihr auch gleichgültig. Irgend jemand hatte ihr beizubringen versucht, daß es zum Wohle Deutschlands geschehe. Auch hier neigte sie nicht zur Überbewertung wie etwa ihr Vater, der schon seit vielen Jahren das Parteiabzeichen trug und nicht mehr vom Volksempfänger wegkam.
Ira verstand von diesen Dingen nichts und wollte sich auch nicht mit ihnen beschäftigen. Ihre natürliche Abneigung gegen die Braunhemden war mehr weiblich als politisch. Sie trug Stöckelschuhe lieber als flache Absätze, sie zog es vor, im Cocktailkleid zu brillieren, als in BDM-Uniform durch die Straßen zu marschieren. Hinter einem kümmerlichen Wimpel her, der wie eine Dreiecks-Badehose wirkte.
»Haben Sie Geld bei sich?« fragte Werner Stahmer.
»Ja«, erwiderte sie, »aber nicht viel.«
»Geben Sie es mir.«
»Warum?«
»Gewöhnen Sie sich daran, daß ab sofort Ihr Ehemann für die Spesen aufkommt.«
Der Wagen hatte die Ortschaft Bodenbach passiert. Stahmer sah das Zollschild und schaltete den ersten Gang ein.
Die deutschen Beamten benahmen sich korrekt, aber unfreundlich, als wollten sie hier am Rande des Niemandslandes schon demonstrieren, daß der barsche Kommandoton in Deutschland en vogue sei.
Stahmer ließ die umständliche Prozedur mit einem fast mitleidigen Ausdruck über sich ergehen. Sein Sonderausweis, der jede Tür geöffnet hätte, war in einem Berliner Safe. Hier ließ er es darauf ankommen, die lächerlichen fünfzig Reichsmark vorzuzeigen, die er ins Ausland mitnehmen durfte.
Der Schlagbaum hob sich, die schwarze Limousine rollte weiter.
Die Grenzbeamten auf der anderen Seite zeigten mehr Höflichkeit und Mißtrauen. Sie kontrollierten jedes Gepäckstück, überprüften sogar das Necessaire mit dem Waschzeug, wühlten in Dessous und falteten Stahmers Pyjama auseinander.
»Was wollen Sie in der CSR?« fragte ein Uniformierter.
»Skilaufen«, erwiderte Stahmer.
»Warum?« bohrte der tschechische Grenzbeamte weiter.
»Warum nicht?« fragte Stahmer zurück.
Der Mann schüttelte den Kopf. Er wußte, daß man mit fünfzig Reichsmark nicht weit kommt, besonders da auch noch die Gebühr für die Straßenbenutzung davon zu bezahlen war. Er wußte weiter, daß jeder zweite, der aus Deutschland kam, ein Flüchtling oder Spion war, und hatte für keine der beiden Kategorien eine übertriebene Zuneigung.
»Ich habe Verwandte in Prag«, erklärte Stahmer.
Der Grenzbeamte wurde freundlicher.
»Trotzdem benötige ich noch etwas Geld …«, Stahmer deutete auf seine Armbanduhr. »Gold«, sagte er, »achtzehn Karat … können wir miteinander ins Geschäft kommen?«
»Geht nicht.« Der Uniformierte machte eine vage Handbewegung zu einem Holzhaus, dem Aufenthaltsraum der Grenzbeamten.
Stahmer lächelte und nickte. Er ließ den Wagen stehen und ging hinein. Unter den Augen des Polizeibeamten tauschte er die Armbanduhr gegen Tschechenkronen.
Der Wagen sprang wieder an, die schwarze Limousine rollte weiter, Richtung Prag. Ira, die schweigend die Grenzformalitäten überstanden hatte, kuschelte sich fröstelnd gegen die Lehne, zog die Decke fester an sich.
»Schade um die schöne Armbanduhr«, sagte sie.
Stahmer zuckte die Schultern.
»Sind wir so arm?«
»Tarnung«, erwiderte der Agent knapp.
Ira begriff erschrocken. Dann lachte sie unvermittelt. »Machen Sie immer so schlechte Geschäfte?«
»Die Abrechnung kommt erst am Schluß«, erwiderte er.
Stahmer wurde nicht müde beim Fahren. Der Wagen rollte Stunde um Stunde; ohne Aufenthalt durch Prag, dann weiter. Der Agent sah nicht auf die Straßenkarte. Er kannte sein Ziel auswendig. Der Weg wurde schmaler, die Schneedecke höher.
Weiter ging die Fahrt. Schweigend. Der Wald, den die beiden passierten, wirkte gefroren und drohend. Wie das Gesicht Stahmers.
»Sehr gesprächig sind Sie nicht«, sagte diesmal Ira.
»Nachher«, antwortete er, »wir erreichen in einer halben Stunde ein abseits gelegenes Hotel an der Moldau … Wir werden uns erst eine Weile im Gastraum aufhalten … und dann versuchen wir, dort zu übernachten … das ist Ihnen klar?«
Die junge Frau nickte. Ihr frostgerötetes Gesicht wurde dunkler. Auf einmal wich sie den Augen des Begleiters aus. Er bemerkte ihr Erschrecken und lächelte kühl.
»Nur eine Formalität …«, erklärte er. »Wir sind im Dienst … Oder haben
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