Prinz Charming
zurück. Victoria hatte ihr inzwischen fürsorglich das Bett aufgeschlagen. Ihre Wangen schimmerten rosig, und Taylor vermutete, ihre Freundin hatte einen zärtlichen Abschiedskuß bekommen. »Wie läuft’s eigentlich mit dir und Hunter?«
»Leg dich erst mal ins Bett, bevor du noch vor Müdigkeit umfällst.«
Taylor gehorchte und lächelte, während Victoria sie sorgsam zudeckte. Es war sehr angenehm, zur Abwechslung mal ein bißchen verwöhnt zu werden. Einladend klopfte sie auf die Bettkante. Ihre Freundin setzte sich, dann beantwortete sie die etwas indiskrete Frage. »Jeden Abend küßt er mich, manchmal sogar öfter. Und er scheint gar nicht zu merken, daß ich immer dicker und häßlicher werde.«
»O nein, du bist nicht häßlich. Du strahlst vor Glück, und das sieht er.«
»Aber er will immer noch fortgehen, sobald das Baby auf der Welt ist.«
»Vielleicht wird er sich anders besinnen.«
Victoria nickte zwar, runzelte aber skeptisch die Stirn. »Was kann ich tun, um dir zu helfen, Taylor?«
»Nun, ich wäre dir dankbar für einen guten Rat. Sag mir, was ich mit Georgie und Allie machen soll. Eigentlich sind sie alt genug, um zu gehorchen und ein paar einfache Regeln
zu befolgen.«
»Allerdings. Du mußt eben strenger sein und lernen, nein zu sagen. Mit Zweijährigen kann man nicht vernünftig reden. Gewisse Dinge sollte man ihnen einfach verbieten.«
»Das vergesse ich immer wieder, und ich versuche, ihnen Vernunft beizubringen. Aber sie tanzen mir auf der Nase herum, und ich bin viel zu nachgiebig.«
»Sicher ist es schwierig, hart zu bleiben, wenn sie einen mit großen, tränenfeuchten blauen Augen anschauen.«
»Das weiß ich, aber du hast recht. Von jetzt an werde ich energischer sein. Sonst geraten sie völlig außer Kontrolle.«
Nachdem Victoria zu Bett gegangen war, dachte Taylor noch lange über ihre mütterlichen Pflichten nach - fest entschlossen, auch diese Schwierigkeiten zu meistern.
In der nächsten Nacht hielt Callaghan Einzug. Taylor drehte sich im Bett um, öffnete die Augen und starb beinahe vor Angst. Da saß der alte Abenteurer am Küchentisch und stopfte sich zwei Tage alte Brötchen in den Mund. Ein Schrei blieb ihr in der Kehle stecken, ihr Herz drohte stillzustehen. Dann stieg ihr sein Geruch in die Nase, und sie wußte, daß ihr nicht der Tod durch rohe Gewalt drohte. Aber der Gestank dieses Menschen würde sie umbringen. Ihr Magen krampfte sich zusammen, und sie atmete ganz flach durch
den Mund.
Callaghan. Jetzt erinnerte sie sich an den Namen und an Lucas’ Warnung. Ihr Mann hatte erklärt, der Gestank würde sie umwerfen, und sie mußte ihm recht geben.
Hoffentlich stimmte auch seine Behauptung, der Mann sei ungefährlich. Jedenfalls sah er furchterregend aus. Er trug ein Hemd und eine Hose aus dunkelbraunem Wildleder, dazu schwarze Stiefel mit Pelzstulpen. Langes, strähniges braunes Haar hing ihm auf die Schultern. Offensichtlich war es jahrelang nicht gewaschen worden.
Allmählich verflog Taylors Angst, obwohl er sich zu ihr wandte und sie anstarrte. Sie brauchte nur zu schreien, und Hunter, der unter den Sternen schlief, würde sofort ins Haus stürmen. Der Eindringling sah keineswegs wie ein Verrückter aus. In seinen klaren, goldbraunen Augen las sie Neugier und Belustigung.
»Wollen Sie denn gar nicht schreien?« fragte er heiser. Als sie den Kopf schüttelte, grinste er und entblößte strahlend weiße Zähne, dann schob er noch ein Brötchen in den Mund. »Da fehlt ein bißchen Salz.«
Taylor stieg aus dem Bett, griff hastig nach ihrem Morgenmantel, den sie über einen Schaukelstuhl gehängt hatte, und schlüpfte hinein. Ihr Colt lag auf dem Kaminsims. Langsam ging sie darauf zu, für den Fall, daß Callaghan sich feindselig zeigen würde, wenn sie ihm die Tür wies. »Warum sollte ich schreien?«
»Das tun die meisten Frauen«, erwiderte er und zuckte die Achseln.
»Und was passiert dann?«
»Ihre Ehemänner werfen mich raus. Aber ich bleibe nicht draußen. Ich komme wieder rein.«
»Und wann kehren Sie in die Berge zurück?« Taylor griff nach dem Colt, und da entdeckte sie die Munition, die hinter der Waffe lag - säuberlich aneinandergereihte Kugeln. Callaghan war viel klüger, als sie erwartet hatte. Unwillkürlich lächelte sie.
»Ich gehe, wann ich will.«
Betont beiläufig schlenderte sie zur Tür. Wenn sie nicht bald frische Luft hereinließ, würde sie in Ohnmacht fallen.
»Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihren Mann erst rufen
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