Prinz Charming
An diesem Abend sah sie bezaubernd aus, mit ihrem offenen blonden Haar und dem Gesicht, noch gerötet von den Küchendünsten. Stundenlang hätte er sie anschauen können.
Aber sie beachtete ihn nicht, denn Georgie hatte absichtlich auf Allies Teller ein Stück Biskuit an eine Scheibe Pökelfleisch gedrückt, was einen lautstarken Aufruhr entfesselte. Taylor versuchte, den einen Zwilling zu beruhigen und gleichzeitig dem anderen eine Lektion zu erteilen.
Während Allie eine Atempause einlegte, ehe sie erneut zu brüllen anfing, verkündete Lucas hastig seine große Neuigkeit. »Wir bleiben alle hier, bis Victoria ihr Baby bekommt. Dann reisen wir ab.« Als er Taylors strahlendes Lächeln sah, erklärte er: »Das bedeutet keineswegs, daß ich’s mir anders überlegt habe. Wir werden die Kinder nicht hier aufziehen.«
»Nein, natürlich nicht.«
»Das wäre zu gefährlich. Außerdem bist du viel zu schwach, um die Schwierigkeiten zu meistern, die ein primitives Leben in der Wildnis mit sich bringt. Im Herbst übersiedeln wir in eine Großstadt.«
»Aber du haßt Großstädte.«
»Ich werde mich dran gewöhnen.«
Nur mühsam bezwang sie ihren Ärger. »Denkst du an eine bestimmte Stadt?«
»Wir fahren wieder in den Osten.«
Nachdem sie eine Weile auf nähere Erklärungen gewartet hatte, betonte sie: »Ich bin nicht schwach, Lucas.«
Darauf ging er nicht ein. »Im Herbst verlassen wir Redemption. Also brauchst du dich erst gar nicht häuslich einzurichten.«
Lächelnd beteuerte sie, das habe sie nicht vor.
Am nächsten Morgen schmückte sie die Fenster mit gelbweiß karierten Vorhängen und behauptete, damit wolle sie die Privatsphäre der Familie schützen. Lucas fand das lächerlich, da das Haus ziemlich abgeschieden am Stadtrand von Redemption lag. Ja, fügte Taylor hinzu, natürlich wisse sie, daß sie bald von hier wegziehen würden. Immerhin habe er das schon hundertmal gesagt. Aber deshalb könne man es sich doch in der Zwischenzeit gemütlich machen.
Abends war der Tisch mit einem hübschen Tuch gedeckt. In den Regalen stapelten sich Teller und Tassen. Und auf dem Kaminsims stand eine Glasvase mit Wiesenblumen. Der Raum glich mehr und mehr einem Heim.
Rolly erlaubte Taylor, Frank den Schaukelstuhl abzukaufen - aber nur, wenn er ihn sonntags ausleihen und benutzen dürfe, während sie die Zeitung vorlese. Bereitwillig stimmte sie zu. Frank meinte, Rolly habe nicht das Recht, solche Bedingungen zu stellen. Nur weil er das Ding angefertigt habe, dürfe er sich’s nicht ausborgen, wann immer er wolle. Und außerdem habe er’s ihm, Frank, verkauft.
Der Riese ließ sich nicht gern Vorschriften machen. Erbost packte er Frank beim Kragen und wollte ihn schütteln, aber Taylor schob die beiden Männer rasch auseinander. »Also haben Sie diesen wunderschönen Schaukelstuhl gezimmert, Rolly?«
Der ehrfürchtige Klang ihrer Stimme weckte seine ungeteilte Aufmerksamkeit. »Ja - und?« murmelte er möglichst beiläufig, damit nicht der Eindruck entstand, er wäre stolz auf sein Werk und würde sich über das Kompliment freuen.
Taylor setzte sich in den Schaukelstuhl und ließ die Fingerspitzen über die polierten Armstützen gleiten. »Einfach wundervoll! Ich glaube, in England habe ich nie so ein Meisterstück gesehen. Sie sind wirklich ein ausgezeichneter Handwerker, Rolly.«
»Da sind keine Nägel drin«, teilte er ihr eifrig mit. »Ich hab nicht gemogelt und keine Nägel reingehauen.« Er bedeutete ihr aufzustehen, damit er den Schaukelstuhl umdrehen und ihr die Konstruktion zeigen konnte.
Bewundernd nickte sie. »Ja, wirklich eine erstklassige Arbeit.«
Mühsam verbarg Frank ein Grinsen, als er sah, daß Rolly wie ein Schuljunge errötete. Hätte er gelacht, wäre ihn das teuer zu stehen gekommen, denn der Riese schwang nur zu gern seine Fäuste.
Rolly zeigte zu seinem Haus, dem letzten an der Straße. »In meinem Schuppen habe ich genug Holz gelagert, und ich würde nur zwei Wochen brauchen, um noch so einen Schaukelstuhl zu machen.«
»Könnten Sie auch eine Wiege für Victorias Baby tischlern?« fragte sie und versicherte, sie würde einen guten Preis dafür zahlen.
Nachdenklich strich Rolly über sein stoppelbärtiges Kinn und erwiderte, darüber müsse er erst einmal nachdenken.
Nachts lag sie in Lucas’ Armen, nachdem sie ihr leidenschaftliches Verlangen gestillt hatten. Es fiel ihr schwer, die zärtlichen Worte für sich zu behalten, die ihr auf der Zunge brannten. Sie wollte ihn nicht
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