Prinz Charming
ich mich daran halte, würde mir der Bursche nach sechs Monaten aus der Hand fressen und mir wie einer Prinzessin zu Füßen liegen.«
»Und wenn er’s nicht tut?«
Taylor lächelte. »Dann soll ich mir eins von Onkel Andrews großartigen Gewehren ausleihen und meinen Mann erschießen.«
»Auch ich hätte deinen Großvater manchmal am liebsten umgebracht.« Die alte Dame lachte leise, dann wurde sie ernst. »Die Babys brauchen dich. Großer Gott, und dabei bist du selber noch ein Kind! Wie willst du das alles schaffen?«
»Das wird mir sicher gelingen«, versuchte Taylor, sie zu beschwichtigen. »Nur keine Bange.«
»Nun gut, ich werde mich nicht sorgen«, seufzte Lady Esther. »In all den Jahren warst du mir in Liebe zugetan.
Weißt du, daß ich dir niemals gesagt habe, wieviel du mir bedeutest?«
»Ja, das weiß ich, Großmutter.«
Nach einer kurzen Pause wechselte die alte Frau wieder das Thema. »Damals erlaubte ich dir nicht, mir mitzuteilen, warum deine Schwester so überstürzt aus England abgereist war. Wie ich nun gestehen muß, hatte ich Angst vor den Tatsachen. Sie verließ uns wegen meines Sohnes, nicht wahr? Was tat Malcolm ihr an? Jetzt bin ich bereit, dir zuzuhören, mein Kind. Würdest du mir alles erzählen?«
Taylors Magen krampfte sich zusammen, und sie holte tief Atem, ehe sie antwortete: »Das widerstrebt mir. Es ist so lange her.«
»Wie bedrückt deine Stimme klingt... Du fürchtest dich doch nicht mehr?«
»Mittlerweile nicht mehr.«
»Ich schenkte dir mein volles Vertrauen und half Marian ebenso wie ihrem nichtswürdigen Ehemann, dieses Land zu verlassen - obwohl ich wußte, daß ich deine Schwester nie Wiedersehen würde. Warum mußte sie nur diesen Burschen heiraten? George war kaum besser als ein Bettler. Und er liebte sie nicht. Nur ihr Geld reizte ihn. Aber ich konnte sie nicht zur Vernunft bringen, und so enterbte ich alle beide. Nun weiß ich, wie grausam ich mich damals verhalten habe.«
»Glaub mir, Großmutter, George war kein schlechter Mensch, aber er verstand leider nichts von Geschäften. Vielleicht hat er Marian nur wegen ihres Geldes geheiratet. Wie auch immer, er blieb bei ihr, nachdem sie ihr Erbe verloren hatte. Und ich nehme an, mit der Zeit gewann er sie lieb. Er war gut zu ihr, und er muß ein wunderbarer Vater gewesen sein. Das geht aus seinen Briefen hervor.«
»Ja, das denke ich auch«, gab Lady Esther widerwillig zu.
»Es war also richtig, daß ich ihnen Geld gab, damit sie in die Neue Welt ziehen konnten?«
»Ja, ganz bestimmt.«
»Wollte Marian mir erzählen, was geschehen war? O Gott, seit achtzehn Monaten ist sie tot, und erst jetzt raffe ich mich zu dieser Frage auf...«
»Nein, sie wollte dir nichts sagen.«
»Aber dir vertraute sie sich an?«
»Nur um mich zu schützen.« Taylor bemühte sich, das Zittern in ihrer Stimme zu unterdrücken und zu verbergen, wie schmerzlich jene Ereignisse immer noch auf ihrer Seele lasteten. »Du zeigtest ihr deine Liebe, indem du ihr halfst, dieses Land zu verlassen. In Boston war sie glücklich mit George. Sicher ist sie in Frieden gestorben.«
»Wenn ich dich beauftragen würde, ihre Töchter nach England zu bringen - wären sie hier sicher?«
»Nein«, erwiderte Taylor entschieden. »Sie sollten in der Heimat ihres Vaters aufwachsen.« Nicht unter Malcolms Vormundschaft, fügte sie in Gedanken hinzu. »Das würden auch Marian und George wünschen.«
»Glaubst du, auch die Babys sind an der Cholera erkrankt? Das hätten wir doch inzwischen erfahren, nicht wahr?«
»Ja, natürlich, die beiden sind gesund und munter«, antwortete Taylor und konnte nur hoffen, daß dies auch wirklich zutraf.
Die Kinderfrau der kleinen Mädchen, Mrs. Bartlesmith, hatte die Familie in England brieflich über die traurigen Neuigkeiten informiert und erklärt, sie sei nicht sicher, ob George der Cholera zum Opfer gefallen sei. Nach seinem Tod habe sich der Arzt wegen der Ansteckungsgefahr geweigert, ins Haus zu kommen. Deshalb stehe es nicht mit Sicherheit fest. Sie habe die Babys vom kranken Vater fern-gehalten und beschützt, nach bestem Wissen und Gewissen.
Nachdem bereits die Eltern der Kinder gestorben sind, wird der Allmächtige nicht so unbarmherzig sein und auch die beiden Zweijährigen zu sich nehmen, dachte Taylor beklommen.
»Bist du bereit, England zu verlassen?« fragte Lady Esther.
»Ja, Großmutter.« Wieder einmal kämpfte Taylor mit den Tränen und atmete mehrmals tief durch.
Die alte Frau schien den
Weitere Kostenlose Bücher