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Prinz Charming

Titel: Prinz Charming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Garwood
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Verantwortung, die du hier in England trägst! Bedeuten dir dein Titel und deine Ländereien so wenig? Nein, du kannst das nicht ernst meinen. Kein Mann im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte würde England aufgeben - und alles, was es zu bieten hat ...« Dieser vermeintliche Bruch vaterländischer Treue kränkte ihn zutiefst, und er hielt einen langen Vortrag, um Hampton zu beschämen. Lucas hörte nicht mehr zu, denn er hatte den Erben am anderen Ende des Saales entdeckt. William Merritt III. war der legitime erstgeborene Sohn - und der drei Jahre jüngere Lucas ein Bastard.
    Ihr gemeinsamer Vater hatte als junger Mann Amerika besucht. Während seines einmonatigen Aufenthalts in Ken-tucky verführte er ein unschuldiges Landmädchen. Mittels heißer Liebesschwüre holte er sie Nacht für Nacht in sein Bett. Erst kurz vor der Abreise erwähnte er die Ehefrau und den Sohn, die ihn daheim erwarteten. William war zum würdigen Nachfolger seines Vaters herangewachsen, ein Egoist, nur am eigenen Vergnügen interessiert.
    Von Loyalität und familiären Werten hielt er nicht viel. Als privilegierter Erstgeborener erbte er den Adelstitel, die Ländereien und das gesamte Vermögen. Sein Vater hatte es versäumt, auch für die anderen Söhne Vorsorge zu treffen, und der älteste weigerte sich, etwas von seinem Reichtum abzugeben. Statt dessen wies er Jordan, Douglas und Kelsey einfach die Tür. Es war Jordan, der Lucas aufspürte und um Hilfe bat, denn er wollte in Amerika ein neues Leben beginnen.
    Zunächst widerstrebte es Lucas, sich mit ihm einzulassen. Seine Halbbrüder und die Welt der Privilegien, die sie bis zum Tod des Vaters genossen hatten, waren ihm fremd, und er fühlte sich als Außenseiter. Trotzdem verbot ihm eine gewisse familiäre Loyalität, Jordan den Rücken zu kehren. Wenig später übersiedelte auch Douglas in die Staaten. Als Lucas nach London reiste, sah er, wie Kelsey behandelt wurde. Und so hatte er es für seine Pflicht gehalten, auch dem jüngsten Halbbruder eine bessere Zukunft zu ermöglichen.
    Nach einem tosenden Crescendo verhalten die Walzerklänge, im selben Augenblick, als Morris seine Lektion beendete. Die Musiker verneigten sich, um für den lebhaften Beifall zu danken. Plötzlich und aus unerklärlichen Gründen verstummte der Applaus. Die Paare, die immer noch auf der Tanzfläche standen, wandten sich zum Eingang. Tiefe Stille sank herab.
    Auch Lucas schaute zur Tür, um festzustellen, was die allgemeine Aufmerksamkeit erweckte. Morris stieß ihn mit dem Ellbogen an. »Nicht alles in England ist so schlecht, wie Sie glauben. Dort steht der Beweis für unsere große Klasse.«
    Seine Stimme klang so begeistert, daß Lucas nicht überrascht gewesen wäre, die Königin höchstpersönlich zu erblicken.
    »Hampton, geh beiseite, du versperrst mir die Sicht!« befahl Morris.
    »Immerhin ist er einen guten Kopf größer als die meisten anderen Männer«, murmelte Hampton. »Also kann er alles deutlich genug sehen. Außerdem bin ich wie gelähmt vor Entzücken und unfähig, mich zu bewegen. Großer Gott, also ist sie tatsächlich gekommen!« flüsterte er bewundernd. »Welch ein mutiges Mädchen!«
    »Da ist Ihre Außenseiterin, Lucas«, verkündete Morris voller Stolz.
    Die junge Dame, von der die Rede war, stand am Absatz der Treppe, die zum Ballsaal hinabführte. Und die beiden Engländer hatten keineswegs übertrieben. Sie war unglaublich schön. Der U-Ausschnitt ihres königsblauen Abendkleides entblößte wohlgeformte Schultern, ohne allzuviel zu zeigen. Die Robe war nicht hauteng geschnitten, ließ aber sanfte Rundungen erkennen.
    Offenbar besuchte sie den Ball ohne Begleitung, und wie ihr Lächeln bekundete, störte sie das Aufsehen, das sie erregte, nicht im mindesten. Daß man ihr Kleid nicht als fashionabel betrachten würde, schien sie ebensowenig zu kümmern. Der Rock bauschte sich nicht an allen möglichen und unmöglichen Stellen, denn sie trug kein Drahtgestell darunter, und ihr Haar war nicht hochgesteckt, sondern fiel in weichen Wellen auf die schmalen Schultern. Vielleicht faszinierte sie die Gäste vor allem deshalb, weil sie in diesem Saal eine erfrischende Ausnahme bildete.
    Ihre Schönheit beeindruckte auch Lucas. Ein paarmal blinzelte er, aber die traumhafte Vision verschwand nicht. Ihre Augen konnte er nicht sehen, wußte aber, daß sie blau waren. Plötzlich ging ihm der Atem aus, sein Herz hämmerte in wildem Rhythmus gegen die Rippen. Verdammt, er führte sich auf wie

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