Prinz der Nacht
Was Sie nicht sind.«
Otto schenkte ihr ein kokettes Lächeln. »Würden Sie ' s mir heimzahlen? Oh, ich liebe Frauen, die mich kratzen. Aber begnügen Sie sich bitte mit meinem Rücken, Baby, ich mag keine Narben.« Dann schob er sich an ihr vorbei.
»Also wirklich, ich hasse die Knappen«, zischte sie, legte noch einen Flathead-Bolzen auf ihre Armbrust und zielte in Ottos Richtung.
So schnell, dass man es kaum sah, wirbelte er herum und fing den Bolzen auf, ohne mit der Wimper zu zucken. Dann hielt er ihn an die Nase und roch genüsslich daran. »Mmm, Rosenduft, mein Lieblingsaroma.«
Jess wechselte einen vielsagenden Blick mit Andy. »Vielleicht sollten wir die beiden allein lassen.«
»Ja.« Allen lachte kurz auf. »Irgendwie erinnert mich das an die Paarungsrituale barbarischer gewalttätiger Völker.
Jetzt fehlt uns nur noch Nick Gautier.«
Otto warf ihm den Bolzen zu, und Allen grunzte, als die Spitze seinen Bauch traf.
Mit feuerrotem Gesicht starrte Syra den großen Italiener an, der sie ignorierte und zur Hütte schlenderte. »Haben Sie einen Knappen, Jess?«, fragte sie, während sie Otto zu dritt folgten.
Jess drehte sich um und zeigte auf Andy. »Den habe ich großgezogen.«
»Gehorcht er Ihnen?«
»Meistens.«
»Da können Sie von Glück reden. Meine letzten drei Knappen habe ich erschossen. Nicht mit einem Flathead
Bolzen.«
Nun, wenigstens würde er sich mit den bei den neuen Teammitgliedern amüsieren. Aber als er hinter Bjorn, Syra und drei Knappen Zareks Hütte betrat, verflog seine Belustigung. Die andern mussten draußen warten, weil sonst niemand in den kleinen Raum passte.
Das war keine dieser Hütten, die drinnen größer wirkten als von außen, sondern genau das Gegenteil. Trotz der peinlichen Ordnung sah dieses Domizil trostlos aus. Die Knappen hielten Halogenlaternen hoch und beleuchteten eine
Matratze am Boden mit einem alten, abgewetzten Kissen, fadenscheinigen Decken und Pelzen. In einer Ecke stand ein Fernseher, Bücherregale säumten die Wände, und zwei Schränke vervollständigten die Einrichtung.
»Großer Gott«, murmelte Allen, »hier haust er wie ein Tier.«
»Nein.« Syra begutachtete die Buchtitel. »Wie ein Sklave. Für Zarek bedeutet das da eine Steigerung seines gewohnten Lebensstandards.« Sie wandte sich zu Jess. »Kennen Sie den Mann?«
»Ja, und Sie haben recht.« Er musste den Kopf einziehen, um nicht gegen den Deckenventilator zu stoßen, während er umherging. Wie er sich entsann, war Zarek mindestens fünf Zentimeter größer als er. »Verdammt!« Er berührte den Ventilator und erinnerte sich an etwas, das Zarek ihm erzählt hatte.
»Was ist los?«, fragte Bjorn.
Jess gesellte sich zu dem Hunter, der gerade Zareks Speisekammer inspizierte. Der winzige Raum enthielt nur ein paar Konserven und zahlreiche ungeöffnete Wodkaflaschen. »Wie warm wird 's hier im Sommer?«
Gleichmütig zuckte Bjorn die Achseln. »Im Hochsommer um die dreißig Grad. Warum?«
Jess fluchte wieder. »Einmal fragte ich Zarek, wie er hier zurechtkommt. Da sagte er: >Ich schmore.«< Er zeigte auf den kleinen Ventilator. »Jetzt verstehe ich, was er gemeint hat. Stellen Sie sich das mal vor - in diesem Loch gefangen, mitten im Sommer, ohne Fenster, ohne Klimaanlage.«
»Im Sonnenschein, fast rund um die Uhr.« Syra stieß einen leisen Pfiff aus. »Da ist man froh, wenn man für zehn Minuten am Tag rausgehen kann.«
»Hat er kein Bad?«, fragte Allen.
Syra deutete auf einen kleinen Nachttopf in der linken Ecke. »Wie lange ist er schon hier, Jess? Acht- oder neunhundert Jahre?«
»Stimmt.«
»Kein Wunder, dass er verrückt ist.« Verächtlich seufzte Allen. »Mit dem Geld, das er verdient, hätte der Idiot eine Villa bauen können.«
»Nein, das würde nicht zu ihm passen«, entgegnete Jess. »Glauben Sie mir, wenn man an nichts gewöhnt ist, erwartet man nichts.«
Syra ging in die Ecke, wo sich geschnitzte Figuren stapelten. »Was ist denn das?«
Mit gerunzelter Stirn begutachtete Jess die Schnörkel an den Wänden. Da erinnerte er sich an die Kunstwerke, die er im Laden gesehen hatte, und an die Eisskulpturen in der Stadt. Offenbar war der arme Zarek an den Sommertagen, die er notgedrungen in der kleinen Hütte verbracht hatte, manchmal fast durchgedreht. Verdammt, daheim hatte Jess eine größere Garage. »Nun, ich würde sagen, damit versucht er einen klaren Kopf zu behalten, während er hier festsitzt.«
Bjorn hob eine kleine bemalte Figurengruppe auf - ein
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