Prinz Rajin - Der Verdammte
Linien der Zukunft klarer sehen als ich“, sagte Liisho. „Also müsstest du die Bedrohung, die uns alle erwartet, doch auch deutlicher vor Augen haben.“
„Diese Bedrohung betrifft mich nicht. Es könnte sein, dass ein Drama vorzeitig endet und ein weiteres beginnt, ohne dass die Darsteller bereits die Bühne dieser Welt betreten haben, was für den Zuschauer einen unbefriedigenden Zustand bedeutet …“ Der Traumhenker trat sehr dicht vor Liisho. „Dies – und nur dies! - ist der Grund, weshalb ich meinen Preis nicht jetzt schon einfordere und dich nicht mit auf den Augenmond nehme, damit du mir mit deiner Weisheit die Zeit vertreiben kannst.“
„Dann lässt du mich meine Aufgabe vollenden?“
„Ich will nur nicht, dass man mir die Kulissen meines Theaters vorzeitig zerstört. Nein, bestimmt nicht. Aber ich bin ein Seelenhändler, und du wirst verstehen, wenn ich den Preis für die Gunst, die ich erweise, etwas erhöhe.“
„Was verlangst du?“
„Absoluten Gehorsam in einem Augenblick, den ich bestimmen werde.“
„Ich diene nur dem rechtmäßigen Kaiser Drachenias.“
„Keiner Sorge, ich werde diesen Preis erst von dir fordern, wenn du dein Ziel erreicht hast und wieder ein Spross des Hauses Barajan auf dem Thron sitzt.“
„Bleibt mir irgendeine Wahl?“
„Nicht, wenn du Prinz Rajin helfen willst, seine Bestimmung zu erfüllen!“
„Dann sei es so“, stimmte Liisho zu.
„So lass uns unsere Abmachung besiegeln“, gab der Herr des Augenmondes zurück und streckte Liisho seine dürre Hand entgegen.
Zögernd ergriff Liisho sie. Als sich die Handflächen berührten, spürte er einen Schmerz den Arm hochfahren, der seinen ganzen Körper durchlief. Aber Liisho war unfähig zu schreien. Er öffnete nur den Mund.
Dann zog der Traumhenker die Hand zurück. „Sieh auf dein verjüngtes, straffes Fleisch, Liisho! Dort ist das Zeichen unseres Bundes eingebrannt. Nur du wirst es zu sehen vermögen. Es soll dich stets daran erinnern, wem du Gehorsam geschworen hast.“
Liisho hatte die Hand zur Faust zusammengekrampft. Er öffnete sie zögernd und blickte hinein.
Ein Brandzeichen bedeckte die Handfläche. Es bestand aus einem Oval mit zwei unterschiedlich großen dunklen Punkten darin.
„Mein Siegel“, erklärte der Traumhenker. „Aber nur für dich wird es sichtbar sein!“
7. Kapitel
Aufbruch ins Ungewisse
Wirre Träume hatten auch Prinz Rajin die ganze Nacht über heimgesucht. Träume, in denen der Traumhenker eine wichtige Rolle gespielt hatte, ohne dass Rajin am Morgen noch hätte sagen können, was diese von Winterland bis in den tiefsten Süden Tajimas bekannte Gestalt nun getan oder gesagt hatte. Er erinnerte sich auch daran, von Liisho geträumt zu haben, doch auch davon waren nichts als wirre Bilder in seinem Kopf zurückgeblieben. Bilder, die sich bereits in dem Moment zu verflüchtigen begannen, da er die Augen aufschlug. Ein Sonnenstrahl, der durch eines der hohen Fenster fiel, blendete ihn.
Das Triumphgeheul eines Drachen ließ ihn zusammenfahren.
Rajin sprang aus dem Bett und lief zum Fenster. Das Gemach des zukünftigen Kaisers gehörte zu jenen Räumen, denen der Luxus einer vollständige Verglasung zuteil geworden war. Rajin öffnete das Glasfenster und sah hinaus.
Ayyaam kreiste noch immer über der Stadt und Burg von Sukara. Einige der Samurai hatten sich im inneren Burghof versammelt und sahen zu dem mächtigen Wesen hinauf, und auch die Wächter auf den Wehrgängen und die Bedienungsmannschaften der Springalds und Trebuchets wunderten sich über das Verhalten des Drachen, ebenso wie Küchenmägde und anderes Personal, das zu Besorgungen ausgeschickt worden war.
„Man könnte fast denken, dass er uns bewacht!“, trug der Wind die Worte eines der Samurai an Rajins Ohr.
Sie dachten, Rajin wäre dafür verantwortlich, dass Liishos Drache nach wie vor über der Stadt kreiste, erkannte der junge Prinz. Aber das war nicht der Fall. Etwas anderes hielt ihn in Sukara. Vielleicht weigerte er sich einfach zu akzeptieren, dass sein Herr und Meister nicht mehr unter den Lebenden weilte. Rajin hatte es nicht gewagt, noch einmal mit Ayyaam in eine geistige Verbindung zu treten. Er fürchtete, dass es dann zu einer Kraftprobe kam, die er nicht gewinnen konnte. Noch nicht, dachte er. Noch nicht...
Aber ihm wurde immer deutlicher bewusst, dass ihm dieser Drache beim Angriff auf das Residenzluftschiff des Priesterherzogs freiwillig gefolgt war und es
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