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Prinz Rajin - Der Verdammte

Prinz Rajin - Der Verdammte

Titel: Prinz Rajin - Der Verdammte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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wahrscheinlich gar nicht möglich gewesen wäre, den direkten Nachfahren des Urdrachen unter seinen Befehl zu zwingen.
    Erneut stieß der Drache einen Schrei aus. Er brüllte laut und dröhnend, und im nächsten Augenblick antwortete ihm ein Chor aus Dutzenden, ja, Hunderten von Drachenkehlen. Nicht nur die Kriegsdrachen der Samurai antworteten auf Ayyaams Ruf, sondern auch ungezählte Lastdrachen überall in der Stadt. Deren Lenker waren zwar keine Samurai, sondern einfache Lastdrachenreiter, doch auch sie hatten der Legende nach ein wenig von Barajans Blut in sich. Es hieß, dass der aus Magiergeblüt stammende erste Drachenkaiser mit seiner menschlichen Gemahlin, die er über alles liebte, zunächst vergeblich auf Nachwuchs wartete. Als die Jahre ins Land gingen und die Kaiserin ihrem Gemahl keinen Erben zu gebären vermochte, schlug sie Barajan schweren Herzens vor, er möge zu den Dienerinnen in seinem Palast gehen und mit ihnen Söhne und Töchter zeugen, damit ihm jemand nachfolgen könnte. Da Kaiser Barajan auch keinen Ausweg mehr wusste, folgte er diesem Rat. Als dann aber die Kaiserin später doch noch schwanger wurde, verlangte sie von ihrem Mann, die Kinder der Dienerinnen alle Rechte des Adels abzusprechen. So wurden aus ihnen die einfachen Lastdrachenreiter, während sich die Linie Barajans und seiner Gemahlin im ganzen drachenischen Adel verbreitete. Und nur aus ihr, so wurde überliefert, gingen die Samurai hervor.
    Ketzerische Stimmen, die schon lange für eine Minderung der Samurai-Privilegien eintraten, wiesen allerdings immer wieder darauf hin, dass, wenn die Legende stimmte, in den Adern von Lastdrachenreitern und Drachenreiter-Samurai letztlich der gleiche Anteil an Barajans Blut fließen würde und daher zwischen beiden Ständen auch keine Unterschiede zu rechtfertigen seien, außer denen des Handwerks, das sie erlernt hätten; bei dem einen war es der Handel, bei dem anderen der Krieg.
    Wieder dröhnte Ayyaams Ruf über die Stadt, und diesmal antworteten ihm noch viel mehr Lastdrachen als zuvor. Da sie zumeist größer waren als Kriegsdrachen, konnte man ihre Laute leicht an den sehr tiefen, durchdringenden Tönen erkennen, die sogar das Glas in den Fenstern von Rajins Gemach zittern ließen.
    Der junge Prinz wusste nicht so recht, was er von diesen Drachenrufen zu halten hatte. Wahrscheinlich waren sie ein Zeichen dafür, wie weit sich der Geist der Aufmüpfigkeit inzwischen auch schon unter den Lastdrachen verbreitet hatte. Es wurde höchste Zeit für Rajin, zu den Leuchtenden Steinen von Ktabor aufzubrechen und deren Kraft in sich aufzunehmen. Denn wer konnte schon sagen, wie lange sich diese Geschöpfe noch anders als durch den Besitz eines oder mehrerer Drachenringe bändigen ließen!
    Was Rajin etwas verwirrte war der Umstand, dass Ayyaams Laute inzwischen keineswegs mehr trauernd klangen, sondern kraftvoll, irgendwie … ja, optimistisch.
    Zu der Annahme, dass der Gigant den Tod seines Herrn beweinte, passte das ganz und gar nicht.
    Ein Diener klopfte, und Rajin gebot ihm, einzutreten. „Angrhoo, der Arzt des Fürsten, schickt mich“, sagte der Diener. „Er weilt am Lager von Meister Liisho und bittet Euch, sofort zu ihm zu kommen.“
    Im selben Moment vernahm der Prinz eine vertraute Gedankenstimme: „Worauf wartest du, Rajin?“
    Rajin zog sich an und suchte eilends das Totenlager seines Mentors auf. Angrhoo, der Arzt, befand sich bereits dort. Sein Gesichtsausdruck verriet vollkommene Fassungslosigkeit. und auch Rajin fiel das Kinn nach unten, als er Liisho aufrecht auf seinem Lager sitzen sah. Er sah jünger aus, als der Prinz ihn in Erinnerung hatte. So als hätte er die Zeit in umgekehrter Richtung durchlebt, durchfuhr es ihn.
    Er blieb einen Moment lang wie erstarrt stehen. „Liisho! Ich hatte schon keine Hoffnung mehr! Aber jetzt, da ich sehe, dass du am Leben bist …“
    „Die Hoffnung solltest du niemals fahren lassen“, sagte Liisho mit einer Stimme, die gleichermaßen vertraut wie fremd klang. Das Fremde musste wohl das ungewohnt hohe Maß an Kraft und Festigkeit sein, das ihr auf einmal innewohnte.
    Aber das war noch nicht alles, warnte Rajin eine innere Stimme. Da musste noch etwas sein, was er bisher noch nicht erkennen konnte, denn er hatte nicht den blassesten Schimmer, was dies sein konnte. Er spürte nur eine gewisse Scheu und deutlich hervortretendes Unbehagen gegenüber dem Weisen.
    Trotzdem fasste Rajin ihn bei den Schultern. Die Freude darüber, den

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