Prinz Rajin - Der Verdammte
Totgeglaubten gegen alle Erwartung doch wieder unter den Lebenden zu wissen, überwog einfach alles andere.
Liisho wirkte seltsam in sich gekehrt, so als würde er gar nicht bemerken, was um ihn herum geschah. Er öffnete die Handflächen und blickte in sie hinein, wie es ansonsten die Anhänger des Sonnengottes in Feuerheim zu tun pflegten, wenn sie beteten.
„Meine Lebenskräfte waren vollkommen versiegt“, sagte er leise. „Aber nun sind sie wieder da, und ich werde dir helfen können, Rajin, das zu erreichen, was deine Bestimmung ist.“
„Wie ist das möglich?“
„Ich bin kein besonders gläubiger Mensch und hatte stets tiefe Zweifel“, meldete sich der Arzt zu Wort. „Aber trotzdem sage ich: Dies muss ein Wunder sein!“ Angrhoo malte das Zeichen des Unsichtbaren Gottes über seiner Brust – die ineinander greifenden zwei Ringe, wobei der eine das Symbol der diesseitigen und der andere das Zeichen der jenseitigen Welt war. „Der Unsichtbare Gott möge mir meine Schwäche im Glauben verzeihen“, murmelte er.
Rajin sah seinen Mentor ernst an. „Glaubst du auch an ein Wunder, dass dir der Unsichtbare Gott zuteil werden ließ?“
Liisho begegnete dem Blick des Prinzen. „Wir sollten nicht nach Erklärungen suchen, wo keine zu finden sind“, gab er schließlich zur Antwort. „Es ist besser, die Gunst des Schicksals einfach zu nutzen, anstatt sich zu fragen, was der tiefere Grund dafür sein mag, dass sie sich gerade jetzt, zu diesem Zeitpunkt, bietet. Das führt nur zu fruchtloser Spintisiererei.“
„Da magst du recht haben“, musste Rajin zugeben, der aufgrund seiner Jugend im Winterland dem Glauben an den Unsichtbaren Gott nicht näher stand als den an die seemannischen Götter. Das Meiste, was er über diesen Gott wusste, hatte Liisho ihm einst in seinen Geist eingepflanzt – so wie vieles andere auch, von dem sein Mentor geglaubt hatte, dass ein zukünftiger Kaiser Drachenias davon Kenntnis haben müsste.
Aber es war eben nur Wissen und keinesfalls eine Überzeugung. Liishos Rückkehr in die Welt der Lebenden mochte für die meisten gläubigen Drachenier ein göttliches Wunder sein, auf Prinz Rajin jedoch traf das nicht zu. Außerdem hatte er das Gefühl, dass ihm der Weise etwas verschwieg. Aber in diesem Moment der Freude wagte er es nicht, genauer nachzufragen.
Liisho wandte sich von Rajin ab und betrachtete noch einmal ungläubig seine Handflächen, wobei Rajin nicht die geringste Ahnung hatte, weshalb er das tat. Dann drehte sich der Weise ruckartig herum und sagte: „Man wird meine Rückkehr von den Toten als Zeichen deuten, Rajin! Als weiteres Zeichen dafür, dass mit dir tatsächlich der rechtmäßige Herrscher von Drakor zurückkehrt, der in der Lage sein wird, die Drachen auch in Zukunft zum Gehorsam zu zwingen!“
Wie eine Antwort auf diese Worte erscholl in diesem Augenblick ein weiterer Ruf Ayyaams, der wiederum aus Hunderten von Drachenkehlen in ganz Sukara beantwortet wurde.
In den nächsten Tagen wurden die Vorbereitungen für die Reise nach Magus getroffen. Die Lage in Sukara normalisierte sich in dieser Zeit einigermaßen. Die Stellen, wo die Geschosse von Dampfkanonen und Katapulten die Mauern in Mitleidenschaft gezogen hatten, wurden auf Fürst Payus Befehl hin ausgebessert Ausbesserungsarbeiten und außerdem Kundschafter ausgeschickt, um in Erfahrung zu bringen, wie weit sich der Feind zurückgezogen hatte.
Unjan, der Erste Drachenreiter des Fürsten, übernahm die Führung des Kundschaftertrupps. Als er zurückkehrte, berichtete er, dass sich die Tajimäer im Grenzland erneut sammelten und sich dort neu formierten. Vielleicht wartete man auch erst das Eintreffen eines neuen Priesterherzogs ab, der den Oberbefehl übernehmen konnte. Die Priesterherzöge rückten nämlich nicht einfach innerhalb der militärischen Hierarchie des Luftreichs nach, wenn einer von ihnen nicht mehr in der Lage war, seine Position auszufüllen, sondern mussten vom Priesterkönig geweiht werden.
Rajin blieb bei seiner Entscheidung, sich ausschließlich von Liisho und den vierundzwanzig Ninjas des Fürsten begleiten zu lassen. Den Bericht von Unjan und seinen Kundschaftern hatte der Prinz noch abwarten wollen, bevor er aufbrach. Doch nun gab es aus seiner Sicht keinen Grund, länger zu zögern. Nachdem sich Kommandant Tong und seine Drachenreiter aus dem südlichen Ostmeerland auf die Seite der Rebellion geschlagen hatten, schien Sukara gegen jedwede Angriffe gesichert –
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