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Prinz Rajin - Der Verdammte

Prinz Rajin - Der Verdammte

Titel: Prinz Rajin - Der Verdammte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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Schneemond wohnenden Verrätergott Whytnyr besänftigen sollten, oder die Zeremonien der Sonnenpriester in Feuerheims, die die Kraft des Sonnengottes stärkten, mit der dieser den Schneemond am Himmel hielt.
    Doch so Furcht einflößend und entmutigend der Anblick des Schneemondes auch sein mochte, so war dies doch die Stunde des Augenmondes.
    Der Todverkünder mit der Henkersaxt stieg in dieser Nacht herab und ging über das Schlachtfeld, um die Seelen der Toten von ihren Körpern zu trennen, so wie es seinem üblichen Geschäft entsprach. Ogjyr nannten ihn die Seemannen, als Traumhenker kannte man anderswo die in eine dunkle Kutte gehüllte Gestalt, unter deren Kapuze ein sandfarben leuchtendes Oval mit zwei unterschiedlich großen dunklen Flecken verborgen war, das wie ein Abbild des Augenmondes selber wirkte.
    Nur wenige vermochten den Traumhenker bei seiner Arbeit zu sehen, und mit diesem Fluch belegt waren, schwiegen darüber, denn es galt als das übelste aller denkbaren Omen für das eigene Schicksal.
    Doch der Traumhenker verrichtete seine Arbeit in dieser Nacht nur mit halber Kraft und wenig Interesse. Die Aussicht, dass sich die Seele eines dieser Gefallenen dazu überreden ließ, ihm in die Einsamkeit des Augenmondes zu folgen, war schon deshalb denkbar gering, weil so gut wie alle Tote dieser Schlacht Anhänger des Unsichtbaren Gottes waren, bei denen die Ansicht vorherrschte, es wäre eine Sünde, dem Gott des Augenmondes die Hand zu reichen.
    Nachdem der Traumhenker seine Arbeit auf dem Schlachtfeld beendet hatte, wandelte er in die Stadt Sukara und tat dort sein düsteres Werk. Manche Wächter sahen einen Schatten zwischen den Mauern daherschleichen, andere bemerkten nichts von seiner Gegenwart, und wieder andere nickten ein und wurden aus reiner Freude an der Qual anderer vom Herrn des Augenmondes mit üblen Albträumen heimgesucht.
    Schließlich erreichte er das Lager Liishos.
    Nicht mehr der Arzt Angrhoo wachte zu dieser Stunde bei ihm, sondern ein Priester des Unsichtbaren Gottes. Der Herr des Augenmondes versetzte ihn in einen tiefen Schlaf, sodass er zu Boden sank und regungslos liegen blieb. Man hätte ihn für tot halten können, so schwach war sein Herzschlag und sein Atem, aber der Zeitpunkt, ihm die Seele vom Leib zu trennen, war noch nicht gekommen.
    Die zuvor durchscheinende, schattenhafte Gestalt des Traumhenkers gewann mehr Substanz, sodass sich das Licht der Fackeln sogar in der blank polierten Doppelklinge seiner Henkersaxt spiegelte.
    Der Traumhenker fasste den Stiel mit seinen dürren Knochenhänden und stellte sich vor das Kopfende von Liishos Lager. Dann hob er die Klinge und rief: „Sammelt Euch, Ihr Splitter von Liishos Seele, der ich einst die Kraft gab, länger zu leben als irgendein Mensch zuvor!“
    Die zweischneidige Klinge der Axt wurde von einem blauen Leuchten umflort.
    Blitze zuckten den Stiel entlang und erfassten auch die Hände des Traumhenkers.
    Das Abbild des Augenmondes unter seiner Kapuze leuchtete auf und wurde so hell, dass es die Fackeln im Raum bei weitem überstrahlte.
    Die Axt fuhr in den Kopf des Weisen, ohne ihn zu spalten. Das Axtblatt glitt einfach durch die Stirn Liishos hindurch, als wäre diese nichts weiter als ein Lichtschein. Die bläulichen Blitze griffen dabei auf Liishos Körper über, ließen ihn erzittern und sich aufbäumen.
    „Deine Kräfte waren verbraucht, und du bist sehr leichtsinnig und verschwenderisch mit ihnen umgegangen, Liisho“, stellte der Traumhenker fest. „Aber du weißt, ich bin ein Spieler, der die Dramen in den kurzen Leben der Sterblichen schätzt. Sie vertreiben einem die Langeweile und und entschädigen mich dafür, dass ihre Seelen mir zumeist nicht auf den Augenmond folgen mögen …“
     
     
    Liisho hatte das Gefühl, geschlafen zu haben wie ein Stein. Undeutlich stiegen die Erinnerungen an die Geschehnisse im inneren Hof der Burg Sukara wieder in ihm auf.
    Er öffnete die Augen, aber schon in diesem Moment war ihm klar, dass er nicht wirklich erwacht war, sondern sich in einem Traum befand.
    Ein grelles bläuliches Leuchten blendete seine Augen. Etwas wurde aus ihm herausgezogen, und im nächsten Augenblick sah er, dass es eine gewaltige, zweischneidige Axt war, deren Klinge sich offenbar mitten in seinem Kopf befunden hatte.
    Eine Gestalt in dunkler Kutte stand neben seinem Lager und stützte sich auf den Stiel der Axt. Das sandfarben leuchtende Oval unter seiner Kapuze ließ keinerlei Zweifel daran, wer er

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