Prinzen der Nacht (Volume II) (Die Traumdämonen-Saga) (German Edition)
er gelassen.
Mit grimmiger Miene drehte sie sich zu ihm um, bereit sich zu verteidigen, doch als sie ihn sah, wurden ihre Züge sofort weich. »Kennen wir uns?«
»Möglich.«
Sie musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen, konnte ihn aber weder unterbringen noch einordnen, was ihn nicht weiter verwunderte. »Warum interessant?«
»Stellst du dir so den Übergang vor?«
»Übergang heißt, dass man sich auf dem Weg zu etwas befindet. Der Himmel ist Licht, Wärme, Liebe, die Hölle Dunkelheit, Kälte, Boshaftigkeit. Also warum sollte dann der Übergang voller Licht sein, wenn das Ziel noch ungewiss ist?«
»Klingt in einer gewissen Weise logisch.«
»Es klingt nicht, es ist logisch.«
»Der Übergang könnte aber auch farbig sein. Eine Mischung zwischen hell und dunkel. Wie wäre es mit einem dunklen blau oder lila?«
Sie sah ihn neugierig an. »Ich mag kein lila.«
»Das ist natürlich ein Argument«, sagte er lachend.
Der Pinsel wurde wieder schmatzend in die schwarze Farbe getaucht und weiter auf der Leinwand verstrichen.
Plötzlich machte Leia die Augen auf und sah sich verunsichert um. Ihr Blick streifte das Dachfenster. Einen Augenblick dachte er, dass sie ihn entdeckt hätte, aber als er wieder zu ihr runterblickte, schrieb sie im Licht ihrer Leselampe mit müden, halb geöffneten Augen ein paar Zeilen in ein Buch: der Mann mit den wunderschönen eisblauen Augen. Sie kicherte leise, klappte das Buch zu und legte es auf ihren Nachttisch zurück.
Er wartete, bis sie eingeschlafen war. Dann stieß er sich ab und stieg wieder empor, hoch und höher, verschwand in den Wolken, drehte ein paar Kreise und machte sich auf den Weg nach Hause.
Die meisten vergaßen ihre Träume direkt nach dem Aufwachen. Manchmal kamen die Erinnerungen wie ein Déjà vu zurück, aber waren auch schnell wieder vergessen. Er war durch viele Träume gewandert, hatte vielen Frauen den Schlaf versüßt, doch nur einige wenige hatten sein Interesse geweckt. Leia reizte ihn. Er würde sehen, ob und wie weit sie ihn in ihr Herz ließ.
Um Punkt sechs wachte er auf. Seine Frau lag in Embryonalstellung von ihm abgewandt im Bett. Sie musste sich in den frühen Morgenstunden, kurz nachdem er ins Bett gegangen war, neben ihn gelegt haben. Als sie noch frisch verliebt waren, hatte sie sich immer eng an ihn geschmiegt und konnte nur einschlafen, wenn er neben ihr lag. Das hatte sich geändert, wie so vieles andere auch.
Er erhob sich leise und ging ins Bad, um sich fertigzumachen. Es war sein Wunsch gewesen, ein normales Leben zu führen, soweit das für seine Spezies möglich war. Dafür hatte er studiert und ging wie jeder andere Mensch einer beruflichen Tätigkeit nach.
Aufgrund seiner Herkunft hätte er gar nichts machen müssen. Sein Vater hatte dafür gesorgt, dass es der Frau, die er liebte, und den zwei Söhnen, die er ihr geschenkt hatte, an nichts im Leben fehlen würde. Er hatte ihr einen reichen Mann geschickt, der sie geheiratet hatte und ihr nach seinem Tod sein ganzes Vermögen vermachte. Die Ehe war nur von kurzer Dauer, da sein Vater es nicht ertrug, seine Geliebte in den Armen eines anderen Mannes zu sehen. Nach dem Tod seiner Mutter lag die Verwaltung des Familienvermögens nun in den Händen seines Halbruders Yven, der aus der kurzen Ehe hervorgegangen war.
In der Notaufnahme war der Teufel los. Ein schwerer Verkehrsunfall hatte fünf Todesopfer gefordert und Dr. Henry Rodman kämpfte seit zwei Stunden um das Leben von drei Schwerverletzten. Als Morris eintrat, spiegelte sich Erleichterung in dem abgespannten Gesicht seines Kollegen wider, der mit blutverschmierten Händen versuchte, eine Stahlstange, die sich in den Unterleib einer Patientin gebohrt hatte, zu stabilisieren. Doch die Stange rutschte heraus und an ihrer Stelle klaffte ein großes Loch, aus der nun das Blut pulsierte. Dr. Rodman griff in die offene Bauchhöhle und drückte die Arterie mit der Hand zu. »Patientin mit Polytrauma«, erklärte er Morris, der auf einen Blick die Schwere der Verletzungen abschätzte und die Überlebenschancen für ziemlich gering einstufte. Der Monitor zeigte eine Nulllinie der Herzfrequenz, die nun einen eindringlichen und eintönigen Ton von sich gab.
»Herzstillstand, Doktor.«
Doch der Arzt reagierte nicht.
»Dr. Rodman, keine Vitalfunktionen mehr«, sagte die Schwester jetzt eindringlicher. »Die Patientin ist tot.«
»Adrenalin.«
Die Schwester sah zu Morris und zog nur zögernd das Adrenalin
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