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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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sinken, dieser große starke Mann sieht ganz hilflos aus. »Das musst du doch auch fühlen. Lissie. Sag mir, dass du das auch fühlst!« »Ja.« Meine Stimme ist nur ein Flüstern. Er sieht mich von der Seite an. »Bist du dir sicher«, fragt er und blickt mir voll in die Augen.
    Ich schüttele unglücklich den Kopf, dann nicke ich, nur um gleich wieder den Kopf zu schütteln. »Aber es ist nicht richtig«, stammele ich. »Sagt wer?« Hinter uns hupt es ungeduldig, ein Autofahrer wartet darauf, dass wir losfahren. Es hat sich bereits eine Schlange hinter dem Wagen gebildet. Kai bedeutet dem Mann mit einer ärgerlichen Handbewegung vorbeizufahren und zieht dann den Schlüssel aus dem Zündschloss. »Lissie, nicht weit von hier hat ein Freund eine Wohnung«, sagt er. »Dorthin ziehe ich mich manchmal zurück, wenn ich allein sein will. Da – da wären wir ungestört.« Ich zucke zurück und komme mir plötzlich vor wie ein naives Gänschen. Warum war mir das nicht gleich klar? Das hier macht er nicht zum ersten Mal! Und ich bin auch nicht die Erste! Sein Lächeln gräbt markante Linien in sein Gesicht. »Glaubst du jetzt, dass ich dich in meine billige Absteige nehme, um dich zu vernaschen, wie all die anderen Mädchen vor dir?« Ich muss wider Willen grinsen. Es ist unheimlich, wie er ständig meine Gedanken liest. »So in etwa habe ich mir das vorgestellt, ja«, gebe ich zu. »Und nein, vergiss es.« »Aber so ist das nicht.« Jetzt zieht er die Augenbrauen zusammen. »Ich würde dich nie zu etwas zwingen, was du nicht willst. Es liegt allein bei dir, Lissie. Denn mir...mir ist es wirklich ernst mit dir. Das weißt du, oder?« Ich schlucke und muss an den Kuss denken, diesen unglaublichen Kuss, im Treppenflur. Und ich spüre, wie mein mühsam aufgebauter Widerstand erlahmt. Doch im letzten Moment reiße ich mich zusammen. Lissie, was tust du hier? Dieser Mann ist über zehn Jahre älter, er ist verheiratet, das alles ist nicht richtig! Ich sollte ganz schnell weglaufen, mich in Sicherheit bringen. »Es tut mir leid!«, stoße ich hervor und dann reiße ich die Autotür auf, raus hier, bloß weg. »Lissie, warte doch!«, ruft er hinter mir her, aber ich renne los, stoße fast mit einer Frau mit Kinderwagen zusammen, ich muss hier schleunigst verschwinden. Wenig später hat er mich eingeholt. »Lissie, bitte, lauf nicht weg!« Er legt mir die Hand auf die Schulter und ich bleibe stehen. »Es ist alles in Ordnung. Ich wollte dir keine Angst machen. Ich habe vergessen, wie jung du noch bist, ich elender Egoist. Bist du mir böse?« Ich komme mir wankelmütig vor, wie eine Idiotin. Eine zu junge Idiotin. Ich schüttele den Kopf. »Lissie, verzeih mir. Ich war so bezaubert...ich bin so verzaubert von dir.« Er klingt ehrlich verzweifelt. Und in diesem Moment tue ich es. »Ist okay«, sage ich. »Wie okay?« Er tritt näher an mich heran, ich kann ihn riechen, fast spüren, obwohl er mich nicht berührt. Er zeigt mit den Händen einen Abstand von zwanzig Zentimetern. »So okay? Oder . . .«, er verringert den Abstand und kommt minimal näher, »oder so okay?« Dabei flackern seine grünen Augen unruhig. Ich muss lachen. Und lege meine Hände aneinander, ganz ohne Abstand. »So okay.«
    Ich habe keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen ist, aber wenn ich aus dem schmutzigen Fenster schaue, sieht es so aus, als würde es schon dämmern. Mein Kopf liegt auf Kais Oberarm, er schläft und sieht sogar jetzt mit leicht offen stehendem Mund aus, als könnte er jederzeit mit einem Tiger kämpfen.
    Ich kann immer noch nicht fassen, was passiert ist, alles war ganz anders als mit meinem ersten Freund. Mit dem war es auch schön, aber nie so einfach, so selbstverständlich. Kai hat sogar über diese superpeinliche Sache mit dem Kondom Witze gemacht, sodass wir uns ausschütten wollten vor Lachen. Und jetzt fühle ich mich großartig, so weiblich, ganz anders. Ich rutsche langsam weg von seinem Arm, schlage die Decke zurück und gehe über den schmalen Flur in das schimmlige, fensterlose Bad. Es ist sehr still hier oben, das einzige Geräusch kommt von dem tropfenden Wasserhahn in der Badewanne, deren Emaille schon ganz grau geworden ist und an einigen Stellen abblättert. Die Wohnung von Kais Freund liegt in einem alten, modrig kalten Haus mit einem Türmchen nicht weit vom Lidlparkplatz. Sie ist klein und heruntergekommen, und als ich die klobraun gestrichene Tür im vierten Stock mit dem Willkommenskranz gesehen und die muffige und

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