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Prinzentod

Prinzentod

Titel: Prinzentod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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schenke mir auch einen Eistee ein. Zum Glück schwatzen die beiden einfach weiter, offenbar über eine neue Website. Die ganze Familie Keilmann liebt das Internet und alle besitzen immer die neuesten technischen Spielereien. Ich glaube, Bernadette war die Erste in der Schule, die Internetvideokonferenzen schalten konnte. Zum Glück für mich ist auch ihre Mutter ein Technikfreak, sodass die beiden nicht weiter auf mich achten. Ihre Begabung haben sie von dem Großvater geerbt, dem Pa tenthalter irgendwelcher bahnbrechenden Kühlschrankerfindungen, aus denen ihr Reichtum stammt. Für die Keilmanns ist es eine Art Familiensport, wer zuerst die absurdeste oder originellste neue Seite im Web entdeckt. Im Augenblick hält Bernadette den Rekord. Ich beuge mich über den Becher und mustere meine Freundin und ihre Mutter aus den Augenwinkeln und frage mich, wie schon ein paarmal zuvor, was Kai an Brigitte eigentlich attraktiv findet. Ich weiß, dass da etwas sein muss, denn er hat bei unserem Treffen vorgestern erst wieder gesagt, dass er sie nie verlassen würde. Brigittes Haare sind wie meistens zu ungünstig dunkelroten Fransen frisiert, die ihrer Haut einen fahlen Schneckenton verleihen. In ihren weiten Leinenhosen sieht sie noch dünner aus, als sie ohnehin schon ist, und ständig gestikuliert sie mit ihren nervösen Händen unruhig durch die Luft. Bernadette hat an dem Abend meines Einzugs, nachdem alle Kisten oben und Kai gegangen war, gehässig behauptet, dass hinter Kais Freundlichkeit finstere Absichten stecken würden, er hätte ihre Mutter nur des Geldes wegen geheiratet. Aber ich weiß mittlerweile, dass Kai seine Frau wirklich bewundert. Sie haben sich auf einer Wohltätigkeitsveranstaltung kennengelernt, Kai hat mir erzählt, dass sie ihm gleich aufgefallen ist, weil sie wie eine Löwin um Spendengelder gekämpft hat. Ständig tut sie das, für Amnesty International genauso wie für Fairtradeprojekte in Brasilien. »Na, ich finde diesen Blog zum Thema Ökospießer ziemlich lächerlich, geradezu grotesk langweilig.« Bernadette hat sich richtig in Rage geredet. »Meinst du nicht auch, Lissie?« Ich nicke, um wenigstens den Eindruck zu erwecken, dass ich mich am Gespräch beteilige, und hoffe, dass sie nicht nach fragt, denn mich langweilen die meisten Blogs unsäglich. Außerdem war ich in den letzten zehn Tagen sowieso nur im Internet, um Kais Mails abzuholen und auswendig zu lernen. Glücklicherweise fällt Brigitte in diesem Moment noch eine andere Webseite ein, von der sie unbedingt erzählen will, und Bernadette merkt nicht, dass ich gar nicht antworte. Wenn man die beiden zusammen sieht, glaubt man kaum, dass sie miteinander verwandt sind. Bernadette ist so ruhig und weich und golden, während ihre Mutter so aufgeregt und irgendwie spitz wirkt. Bei Papa und mir erkennt man die Ähnlichkeit sofort, ich habe seine dunkelbraunen Augen und leider auch die etwas knollige Nase und die breite Stirn geerbt. Von Mama habe ich zum Glück die Figur, die ganz altmodisch wie eine Eieruhr ist, schlank, aber kurvig. Mama ist an einem Gehirntumor gestorben, als ich vier Jahre alt war. Seither sind Papa und ich allein. Er hat sich alle Mühe gegeben, mir meine Mutter zu ersetzen, und ich finde, er hat es gut gemacht. Trotzdem habe ich meine Freundinnen immer um ihre Mütter beneidet, sogar um die Kämpfe mit ihnen. Brigitte und Bernadette streiten sich selten, dafür streitet sich Violetta andauernd mit allen, mit Nico, mit Bernadette und am meisten mit ihrer Mutter. Beide können ziemlich stur sein. »Sag mal, Lissie, ist die Hitze zu viel für dich?« Erschrocken schaue ich hoch. »Nein, wieso?«, frage ich. Bernadette mustert mich vorwurfsvoll von der Seite. »Na, weil meine Mutter schon zum dritten Mal gefragt hat, ob du deinen Geburtstag feiern wirst.« »Nein, ich glaube nicht«, bringe ich gerade noch heraus, denn seit Tagen träume ich davon, an meinem Geburtstag mit Kai ins Blaue zu fahren.
    Bernadette zieht eine Schnute. »Ach Mann, da hast du im Sommer Geburtstag und dann feierst du nicht. Ich wünschte, ich wäre so ein Glückspilz. Aber nein, ich musste Anfang Februar geboren werden.« »Lass sie doch!«, beschwichtigt Brigitte und nimmt einen Schluck von ihrem Eistee aus transfairem Anbau. Sie lächelt mir zu. »Du wirst bestimmt deine Gründe haben. Vielleicht feierst du lieber ganz romantisch zu zweit?« Ich muss ein paarmal schlucken, bevor ich antworten kann. Mir wird erst kalt, dann wieder ultraheiß.

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