Prinzessin Kate
Allmählich erweiterte er sein Geschäftsfeld, fertigte Tweeds und Uniformstoffe und kaufte eine Fabrik zur Veredelung seiner Textilien. Damit kontrollierte er alle Stufen des Herstellungsprozesses. Von dieser Entscheidung sollte die ganze Familie einschließlich seiner Urururenkelin Kate profitieren, denn mit der Zeit wurde er ein sehr reicher Mann.
Das Familienleben von Frank und Fanny, die 1847 geheiratet hatten, drehte sich um ihre fünf Söhne, von denen Olives Vater Francis der älteste war. Er kam am 21. Juli 1848 zur Welt, gefolgt von Arthur 1850, Herbert 1853, Charles 1855 und Hugh 1861. Inzwischen wohnte die Familie in Beechwood, einem großen viktorianischen Herrenhaus am Ende einer gewundenen Zufahrt im Dorf Roundhay, elf Kilometer von Leeds entfernt, das sie Sir George Goodman, einem früheren Bürgermeister, abgekauft hatten. Sie hatten genug Geld, um sich sechs Hausangestellte zu leisten. Leider starb Herbert, als Hugh noch ein Baby war, doch die anderen vier Söhne waren der Stolz ihrer Eltern. Sie machten sich gut in der Schule und wuchsen zu vorbildlichen Bürgern heran. Die Familie pflegte gesellschaftlichen Umgang mit der Elite der Stadt – man engagierte sich in der Tagespolitik, besuchte dieselben Kirchen und ging in denselben Parks spazieren.
Wie sein Vater vor ihm wurde auch Olives Vater Francis aufs Gymnasium geschickt. Er war sehr klug und schaffte es als Erster aus seiner Familie aufs Trinity College, Cambridge, das sich gerade auch den Nonkonformisten geöffnet hatte. Bald wurde dies der übliche Bildungsweg der Lupton-Söhne: Francis’ Bruder Charles und drei Söhne folgten ihm dorthin. Charles war der erste Lupton, der die private Jungenschule Rugby besuchte, und damit begann eine Tradition privater Schulbildung, die sich in der Familie bis zu Kate hin fortsetzen sollte. Francis machte einen Magister-Abschluss in Geschichte, bevor er nach Leeds zurückkehrte. Dort trat er als Kassierer in das Familiengeschäft ein – was ihm, wie seine Mutter in ihrem Tagebuch festhielt, »einigermaßen gefiel« – und wurde als Offizier in die Leeds Rifles aufgenommen. Die Familie war erfreut, als er sich in Harriet Davis, die Tochter des Pfarrers ihrer Gemeindekirche St. John’s verliebte. Sie lebte mit ihren Eltern und vier Schwestern im Pfarrhaus von Roundhay, und die beiden Familien verband eine enge Freundschaft. Das Paar heiratete am 6. April 1880 in St. John’s. Francis war 31 und Harriet 29 Jahre alt, und sie bezogen ein eigenes Haus, Rockland, in Newton Park, einem Weiler zwischen Chapel Allerton und Potternewton. Dort kam Olive am 1. April 1881 zur Welt.
Am 20. Mai 1884, als Olive gerade drei Jahre alt war, starb ihr Großvater Frank mit 70 Jahren an einer Herzkrankheit – der erste einer Reihe von Todesfällen, die die Familie schwer trafen und zeigten, dass auch die Reichen in viktorianischer Zeit nicht gegen Krankheit und Leid gefeit waren. Frank hatte das Familienvermögen aufgebaut, er hinterließ seinen vier Söhnen genug Geld, um zu führenden Mitgliedern des Establishments aufzusteigen. In seinem Testament verfügte er über atemberaubende 64 650 Pfund – die heute etwa 32,6 Millionen Pfund entsprächen –, was bedeutete, dass es seiner Familie auch künftig an nichts fehlen würde.
Nach seinem Tod bekamen Francis und Harriet noch vier weitere Kinder – Francis, Fran genannt, 1886, Maurice 1887, Anne 1888 und Lionel 1892 –, doch Harriets Immunsystem war nach der Geburt ihres fünften Kindes angegriffen. Sie erkrankte an einer Grippe und starb zu Hause in Rockland am 9. Januar 1892. Ihr verzweifelter Ehemann blieb gelähmt vor Trauer und mit der Verantwortung für fünf Kinder unter zehn Jahren zurück. Auf den Tag genau zwei Monate später starb auch Francis’ Mutter Fanny an Diabetes und Erschöpfung. Francis hatte innerhalb von acht Jahren seine Frau und beide Eltern verloren, und alle Freude war aus seinem Leben verschwunden.
»Die Geburt des jüngsten Sohns fiel mit dem Höhepunkt einer schweren Grippewelle zusammen«, schrieb sein Neffe Charles Athelstane Lupton, in der Familie nur »Athel« genannt, später in einer Familiengeschichte mit dem Titel The Lupton Family in Leeds .
»Die Niederkunft verlief normal, doch Harriet steckte sich mit der Grippe an und starb 14 Tage später. Francis erholte sich nie wieder richtig von diesem Schlag. Er behielt seine Trauer völlig für sich. Viele Jahre lang sprach er mit den Kindern nie über sie. Er machte selten Urlaub.
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