Prinzessin Kate
zehnjährige Anne von dieser Sünde heimgesucht wurde; unverzüglich wurde ihr das Haar kurz geschnitten. Man kann nun sicher behaupten, dass in späteren Jahren Eitelkeit wirklich keine Familienschwäche war. Die Jungen litten vielleicht weniger unter der strikten Reglementierung als die Mädchen, weil sie auch oft in Internaten waren. Doch irgendwann spitzten sich die Dinge zu. Miss Cadell reiste ab. Die Cretonne-Vorhänge im Salon wurden abgenommen. Und so endete eine unglückliche Episode.«
Inzwischen waren Fran, Maurice und Lionel nach Rugby aufs Internat gegangen. Olive hatte Roedean abgeschlossen und war alt genug, Haushälterin ihres Vaters zu werden und für ihn und ihre jüngere Schwester Anne zu sorgen. Sie muss eifersüchtig auf die Freiheit ihrer Brüder gewesen sein, als sie, wie ihr Vater vor ihnen, ans Trinity College gingen. In Cambridge wurde Maurice wegen seiner Liebe zu Autos zur Legende. Er hatte ein gelbes Dampfauto, das explodierte und von Cambridge nach Leeds abgeschleppt werden musste. Dafür engagierte er seinen Freund Leonard Schuster, der einen Rolls-Royce besaß – die Aktion war offenbar eine echte Sensation.
Nach der Universität traten Fran und Lionel ins Familienunternehmen ein, während Maurice bei Hathorn Davey in Hunslet, wo sein Onkel Hugh geschäftsführender Direktor war, zum Ingenieur ausgebildet wurde. Fran und Maurice zogen beide wieder ins Haus der Familie, wo Olive und fünf Hausangestellte sich um sie kümmerten.
Olive erlangte erst 1914 eine gewisse Freiheit, als sie Noel Middleton heiratete und ihre Schwester Anne, inzwischen 25 Jahre alt, den Haushalt von Rockland übernahm. In jenem Sommer heiratete auch ihr ältester Bruder Fran, 28, Dorothy Davison, die Tochter eines Mathematiklehrers an der König Edward’s School, Birmingham. Der Krieg warf schon seine Schatten voraus, und es sollte das letzte Mal sein, dass die große Familie zusammenkam.
Bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs dienten Olives Brüder Fran, Maurice und Lionel zusammen mit zwei ihrer Cousins, Michael, Sohn ihres Onkels Arthur, und Hugo, Sohn ihres Onkels Hugh, in der Territorial Force. Fran und Maurice schlossen sich den Leeds Rifles an. Während Fran als Adjutant einer Ausbildungsbrigade in England blieb, wurde Maurice Captain im 7. Bataillon des West Yorkshire Regiment, des Regiments des Prinzen von Wales. Er wurde per Schiff als Teil der 49. (1. West Riding) Infantry Division in die Schützengräben Belgiens transportiert. Am 19. April 1915 kam er dort an, und er starb genau zwei Monate später, erst 28 Jahre alt, als einer von 2050 Angehörigen der Leeds Rifles, die im Laufe des Krieges im aktiven Dienst in Frankreich und Flandern fielen. Sein Grab befindet sich auf dem Rue-Pétillon Military Cemetery in Fleurbaix, Nordfrankreich.
Seine Briefe an die Familie sind in The Next Generation veröffentlicht, einer Fortsetzung von The Lupton Family in Leeds , herausgegeben von Athels Neffen Francis Lupton mit Beiträgen verschiedener Familienangehöriger und Lokalhistoriker. Im Nachhinein klingen sie seltsam naiv. »Ich möchte es um nichts in der Welt missen, hierhergekommen zu sein«, schrieb er am 28. April. »Wir haben bisher noch nicht richtig gekämpft, sondern sind nur praktisch auf Zuruf mal hierhin, mal dorthin marschiert, was großen Spaß macht.« – »Ich sitze in einem kleinen Unterschlupf aus Lehm und Holz wie beim Indianerspielen«, schrieb er am nächsten Tag. »Hin und wieder hören wir einen Gewehrschuss oder eine Granate, die über unsere Köpfe hinwegzischt wie eine Wildente, die aber nicht uns gegolten hat, was ich zumindest glaube.«
Allmählich aber wurde Maurice sich der Gefahren dann doch bewusst.
Am 6. Juni schrieb er:
»Seit sechs Tagen in den Gräben. Ich werde versuchen, den Feldstecher, den Vater geschickt hat, auf ein Periskop zu montieren, damit ich mehr Einzelheiten der deutschen Grabenlinie sehen kann, weil man kein Fernglas direkt auf sie richten kann. Sie sind manchmal unglaublich schnell, wenn es darum geht, kleine Dinge wie Periskope zu entdecken.«
Und am 15. Juni:
»Eines Nachmittags bombardierten die Deutschen plötzlich unseren Teil des Grabens mit Schrapnell. Durch einen reinen Unfall explodierte eine dieser Granaten nicht in der Luft, sondern flog in eine Wand aus Sandsäcken, gegen die sich der Polizist unseres Quartiers lehnte, und trennte ihm das Bein ein bisschen unter dem Knie ab. Er war ein furchtbar starker Kerl, und Chloroform schien bei ihm
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