Prinzessinnensöckchen (German Edition)
Weißt du, was er im Mund gehabt hat? Der Pohland?« Sie wartete tatsächlich auf eine Antwort, aber woher sollte Emily wissen, was Pohland im Mund gehabt hatte. »Nein«, sagte sie.
»Eins von deinen Prinzessinnensöckchen«, platzte es aus Hanna.
4
Was für ein Tag! Carmen zog Schuhe und Strümpfe aus, legte die Füße hoch und knabberte an einer Brezel, ihrem verspäteten Mittagessen. Nach dem Ausflug in den Forst war sie zu einem Autohaus gefahren, wo man für wohltätige Zwecke 1000 Euro gesammelt hatte und werbewirksam als überdimensionierten Scheck an die Leiterin des Kindergartens überreichte. Klick, klick, Routinejob. Auf die ungelenke Anmache des Verkaufsleiters – »Haben Sie heute Abend schon etwas vor?« – hatte sie mit einem schlichten »Ja« reagiert. Der Mord in der Jagdhütte spukte ihr im Kopf, auch als sie endlich Richtung Redaktion fuhr. Die seltsame Reaktion des Mädchens an der Bushaltestelle, des Mädchens mit dem roten Striemen auf der Stirn... Nein, sie sah Gespenster.
Leider war Köhler, dick und mächtig hinter seinem chaotischen Schreibtisch, kein Gespenst. Oder doch; aber ein sehr reales. »Auch schon hier?« Sie antwortete nicht und ging in ihre Abstellkammer, die Köhler als »Büro« zu bezeichnen pflegte. »Lassen Sie die Tür auf!« dröhnte die raue Stimme des Redakteurs, »ich will hören, ob Sie auf Kosten der Blattes telefonieren.«Idiot!
Sie lud die Fotoausbeute auf den PC, erledigte zunächst den Autohausjob, schrieb einen spröden Standardtext. Dann betrachtete sie sich die Bilder von der Hütte, aus dem Wald. Immerhin hatte sie ein Foto vom Tatort, das musste reichen und das reichte auch. Die anderen Aufnahmen brauchten weder Köhler noch die Leser des Blättchens zu sehen, schon gar nicht die Polizei. Die würde sich bedanken, wenn eine Pressetante ihr ins Handwerk pfuschte. Und journalistischer Ehrgeiz war Carmen fremd. Zur Not würde sie auch die Toiletten am Hauptbahnhof putzen – sie überlegte eine Sekunde – nein, das denn doch nicht – sie hörte Köhler im Nebenzimmer fluchen – oder doch, wäre eine gute Alternative zu diesem Job hier.
Routinemäßig rief sie bei der Pressestelle der Polizei an und fragte nach dem Ermittlungsstand. Nichts Neues, sagte der gelangweilte stellvertretende Pressesprecher und nichts Neues hieß: gar nichts. Ein Mord im Wald, Opfer ein Mann aus dem nahegelegenen Ort, zweiundfünfzig Jahre alt, nein, keine näheren Angaben zur Person und zu den Umständen der Tat.
Den Text hatte sie ruckzuck geschrieben, er würde übermorgen erscheinen, wahrscheinlich im Innenteil des Blättchens zwischen der Werbung eines Tapetenladens und eines Nagelstudios. Man brauchte schon viel Glück, um ihn nicht zu übersehen. Der Bericht aus dem Autohaus war hingegen für die Titelseite vorgesehen, direkt über einer halbseitigen Werbeanzeige des Unternehmens. So viel zum Thema journalistischer Ehrgeiz.
Zum Glück telefonierte Köhler, als sie die Redaktion verließ. Er warf ihr einen abschätzigen Blick zu, bellte dann »Ihr könnt mich mal, ihr Heinis!« in den Hörer und hieb mit der Faust auf einen Papierstapel, der endgültig seine Balance verlor und umkippte. Carmen lachte extra laut und machte dass sie davon kam.
Jetzt saß sie zu Hause auf der Couch, die nackten Füße auf dem Stuhl und sehnte sich nach einem heißen Bad. Was in Anbetracht der Tatsache, dass sie keine Badewanne besaß, ziemlich frustrierend war. Aber träumen durfte man ja wohl noch. Von einem exklusiven Badezimmer in einer ebenso exklusiven Wohnung oder wenigstens von einem Monat, in dem es einem keine Mühe machte, die Miete für diese Bruchbude hier aufzubringen.
Das Handy klingelte. Carmen sah auf die Uhr, fünf, seufzte laut auf. Fünf, das war, seit sie ihn hinausgeworfen hatte, Maximilians Zeit, sein täglicher Heul- und Jammeranruf. Ob sie sich nicht treffen könnten, was denn überhaupt los sei, was für einen Fehler er gemacht habe, dass er sie noch immer liebe – die ganze Palette. Als er ihr gestern sogar weismachen wollte, er finde ihre Strapse höchst sexy, das Ganze sei ein Missverständnis gewesen, hatte sie verärgert den Anruf weggedrückt. Lügner konnte sie noch weniger leiden als Liebhaber, die ihre erotische Aufmachung kalt ließ.
Einen schwachen Moment lang war sie versucht, mit Maximilian zu reden, seine Einladung anzunehmen. Gewiss würde er es sich etwas kosten lassen, sie zum Edelitaliener einladen... doch dann drückte sie auch dieses
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