Prisma
Wächterin lag auf der Aussichtsplattform, die Beine unter sich verdreht und mit den Händen zuckend, während ein Krieger daneben stand. Während er Martine befreite, lieferte Evans Retter die Erklärung nach.
»Keine Säuren. Das hat der Bibliothekar verboten«, meldete der Krieger in seiner gewohnt knappen abgehackten Art. »Haben dein altes Exoskelett untersucht. Sammler haben die notwendigen Zutaten gefunden, Prozessoren haben sie synthetisiert. Aufgesprüht auf euer Exoskelett, und schon ist es aus.«
»Aus?«
»Aus mit der Biegsamkeit«, vervollständigte der Krieger seine Aussage.
Martine beugte sich über die Wächterin, die zum Glück immer noch stöhnte. Und tatsächlich, eine dunkle, klebrige Substanz befand sich an bestimmten Punkten auf dem Überlebensanzug. Wo die Flüssigkeit sich verhärtet hatte, war das gleiche auch mit dem Anzug geschehen, mit dem Ergebnis, dass jedes Gelenk erstarrt war. Die Wächterin konnte nicht nach ihrer Waffe greifen oder aufstehen, sie konnte nicht einmal weglaufen. Ihr Überlebensanzug hatte sich in eine Zwangsjacke verwandelt. Und dabei war kein Blut vergossen worden.
Der Krieger streckte eine Greifhand aus. Winonas Stöhnen wurde zu einem Winseln, aber die mächtigen Klauen griffen gar nicht nach ihr. Sie öffneten das Halfter und zogen den Nadler heraus. Der Krieger untersuchte ihn mit fachmännischem Interesse. »Sieht nicht sehr gefährlich aus.«
»Du auch nicht.«
»Hmpf. Eigener Körper ist besser als zusätzliche Teile.«
Silikatklauen schlossen sich. Das Stahlgehäuse des Nadlers zerknitterte wie dünnes Blech.
»Was – was werdet ihr mit mir tun?« wimmerte Winona. Ihre vorherige Kaltschnäuzigkeit war völlig verflogen. »Was habt ihr mit meinem Anzug angestellt? Woher kommen diese Monster?«
»Still!« befahl Evan ihr. »Und nenn sie nicht Monster! Sie sind sehr sensibel.« Er bückte sich, schaltete ihre Batterien aus und unterbrach den Energiezufluss für ihr Kommunikationssystem. »Wegen deines Anzugs solltest du dir keine Gedanken machen. Du lebst schon zu lange auf Samstatt. Der einzige Anzug, der wirklich wichtig ist, ist der, den du direkt auf den Knochen trägst.« Er bückte sich erneut und entriegelte ihren Helm.
»Bitte – nein!« stöhnte sie.
Bedauernswert, dachte Evan. Er nahm den Helm ab, warf ihn über den Rand der Plattform, während Schreie und Flüche zu ihm drangen. Unter ihnen war die Hölle los.
Er trat neben Martine ans Geländer. Leute rannten aus Gebäuden, einige von ihnen nur halb angezogen. Ab und zu hörte man das trockene Krachen eines Nadlers.
Die anfängliche Verwirrung machte nach und nach einem Versuch von Ordnung Platz, als Gestalten sich zu zweit und dritt zusammenfanden und an der Westseite des Verwaltungsgebäudes aufstellten. Nachdem sie eine Gruppe gebildet und nach allen Seiten geschossen hatten, zogen sie sich allmählich in Richtung Schiff zurück.
»Deine Freunde kürzen ihren Besuch aber rasch ab«, informierte Martine sie. Die Augen der Wächterin weiteten sich.
»Nein, bitte, lasst mich mit ihnen gehen! Sie dürfen mich nicht hier lassen!« Sie starrte voller Schrecken den Krieger an, der sich über sie beugte.
»Warum sollen wir dich gehen lassen?« Martines Stimme klang kalt. »Du hast uns betrogen und an Frazier ausgeliefert. Du hättest uns ohne einen weiteren Gedanken erschossen, wenn einer von uns vorhin zu fliehen versucht hätte.«
»Bitte, ich habe doch nur meinen Job getan.«
»Zum Teufel, Martine, lass sie laufen! Wenn Frazier und seine Leute immer noch Zweifel haben hinsichtlich der Tatsache, dass Prisma die Heimat einer Klasse A-Bevölkerung ist, dann müsste Winona doch jetzt in der Lage sein, sie eines Besseren zu belehren.«
Martine überlegte, dann wandte sie sich um und bückte sich, um ihre frühere Wächterin mit einer saphirblauen Kristallhand zu packen.
»Du siehst, dass diese Leute – und es sind Leute – überaus intelligent sind. Das haben wir Frazier mitgeteilt, und er hat uns nicht geglaubt. Überzeug ihn!« Die Frau nickte heftig. »Diese Welt ist für jede wirtschaftliche Entwicklungsmaßnahme gesperrt!«
»Sicher ist sie das.« Ihre Stimme klang bitter. »Ihre Firma wird die Investitionen hier aufgeben und sich zurückziehen, stimmt’s?«
»Das stimmt«, erwiderte Evan und wunderte sich über seine eigenen Worte. »Wir werden dafür sorgen, dass die entsprechenden Leute informiert werden. Es wird keine ungenehmigte Erforschung Prismas geben, und schon gar
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