Prisma
erfreut. »Das ist nicht zu weit hergeholt«, fuhr Evan fort. »Ich gehöre in meiner Heimat einer Organisation an, die einer Assoziation ähnlich ist, und es ist meine Aufgabe, umherzureisen und neue Entdeckungen zu machen.« Sie näherten sich der abgewandten Seite des Zentralhügels. Er entdeckte eine dunkle Öffnung im nackten Fels.
»Wohin gehen wir überhaupt?«
»Du musst studiert werden. Ich habe dich gefunden und dich hergebracht, aber ich darf keine Vorschläge machen, was dich und die weitere Vorgehensweise betrifft.«
»Ach so?« Evan wurde plötzlich wachsam. »Von wem studiert?« Visionen von überaus höflichen Vivisektionen füllten unvermittelt seinen Geist. Viel konnte er nicht tun, um die Assoziation davon abzuhalten, diesen Weg einzuschlagen, jedenfalls nicht im Augenblick. Er konnte die Glasbarriere, welche die Gemeinde umgab, nicht erklettern, und er bezweifelte, dass die Wände beiseite treten würden, um ihn durchzulassen.
»Von den Bibliothekaren natürlich.«
»Aha.« Er entspannte sich etwas. Wenn Azur die Ärzte oder die Krieger genannt hätte, dann wäre Evans Besorgnis etwas verstärkt worden, aber es liegt etwas Harmloses und Beruhigendes darin, wenn eine Kreatur Bibliothekar genannt wird.
»Hier hinunter.« Azur geleitete ihn zu einer kleinen Höhle, mehr einen Steinüberhang, der mit hellem Licht erfüllt war dank der Bemühungen von einem Dutzend Flekten. Ein Redner stand geduldig davor.
Die Öffnung war kaum hoch genug, damit Evan hineinschlüpfen konnte. Der Boden war mit sauberem weißen Sand bedeckt. Die Flekten veränderten sofort ihre Haltung, um das Licht auf seinen Körper zu lenken.
Im Mittelpunkt dieses Wasserfalls aus Sonnenlicht saßen drei Gestalten. Ihre sechs Beine sahen zu dünn und schwach aus, um die runden knotigen Körper zu tragen. Achtzehn Augen unterschiedlicher Größe starrten ihn an. Von der Vorderseite des Kopfes schlängelten sich lange hornähnliche Organe auf ihn zu, schwangen hin und her und nach hinten und legten sich auf den hinteren Teil jedes zwei Meter langen Rumpfes. Evan fragte sich, welche Funktion sie wohl haben mochten. Offensichtlich keine sexuellen Verzierungen, und da es unwahrscheinlich schien, dass man von Bibliothekaren erwartete, dass sie sich selbst verteidigten, waren es vermutlich auch keine Waffen. Irgendeine Art Speichervorrichtung? Er würde Azur fragen müssen.
Er setzte sich und wartete. Einer aus dem Trio kaute etwas aus einem Haufen, der aussah, als bestünde er aus Kupferspänen. Er war mit den beiden anderen durch Ranken verbunden, ähnlich denen, die aus Evans linkem Ohr heraushingen. »Für private Gespräche«, erklärte Azur.
Erwartete man von ihm, dass er den ersten Schritt tat?
Von Azur bekam er keinen Hinweis. Daher lehnte Evan sich vor und streckte die offene Hand in einer, wie er hoffte, universellen friedlichen Geste aus.
»Hallo!« Er war sich sehr wohl bewusst, dass das Wort für die drei keine Bedeutung hatte, aber er bot Freundschaft und einen Gruß in der einzigen ihm bekannten Weise an. Der nächste Bibliothekar zuckte vor der ausgestreckten Hand zurück, während der dritte eine Reihe von Geräuschen erzeugte.
»Der zweite Bibliothekar sagt zu dir, du sollst keine unangekündigten Bewegungen ausführen«, informierte Azur ihn hastig. »Tu nichts, bevor nicht entschieden wurde, was mit dir geschehen soll.«
»In Ordnung.« Evan zog die Hand zurück. Erst in diesem Moment bemerkte er den Kriegertrupp, der vor der Höhle aufgetaucht war und dort hockte wie eine Batterie schwarzer Bomben. Wenn die Bibliothekare ihnen den Befehl gaben, dann – und da hatte er nicht den leisesten Zweifel – würden sie ihn innerhalb von einer Minute zerfleischen.
Offenbar spürte Azur seine Nervosität. »Mach dir keine Sorgen! Ich weiß, dass du nicht gefährlich bist und dass du nur Gutes willst.«
»Ja, sicher, aber nicht du bist es, der hier die Befehle erteilt.«
»Muss ich dich daran erinnern, dass hier niemand Befehle erteilt? Vergiss nicht, dass jede Entscheidung allgemein befürwortet werden muss.«
»Auch die, welche in Eile getroffen wurden?«
»Das ist doch einfach, wenn alle mittels der Redner den Diskussionen beiwohnen.«
»Aber niemand achtet darauf, was hier drin vorgeht«, protestierte Evan und wies mit einem Kopfnicken nach draußen, wo die Gräber und Sammler und die anderen ihrer Alltagsbeschäftigung nachgingen.
»Im Gegenteil. Jedermann weiß über das Treffen Bescheid. Alle werden
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